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09.11.2023
Seit der Industriellen Revolution ist die Weltbevölkerung nahezu explosionsartig gewachsen. Lebten um 1750 erst weniger als 800 Millionen Menschen auf der Erde, waren es laut den Vereinten Nationen (UN) Mitte November des vergangenen Jahres erstmals mehr als acht Milliarden. Der Peak – außerhalb Afrikas – wird in den 2050ern erwartet.
Bis Ende des laufenden Jahrhunderts dürfte es dann aller Voraussicht nach den ersten Rückgang seit der Pest geben, und zwar nicht wegen höherer Sterbe-, sondern fallender Geburtenraten. Global liegt die Fertilitätsrate – also die durchschnittliche Zahl an Kindern, die eine Frau in ihrem Leben zur Welt bringt – heute bei 2,3. Im Jahr 2000 betrug sie noch 2,7. In 124 Ländern, darunter die 15 größten Volkswirtschaften der Welt, ist das Maß bereits unter 2,1 gefallen. Diesen Wert bräuchte es, um die Reproduktion der jeweiligen Bevölkerung zu gewährleisten.
Bis 2030 wird mehr als die Hälfte der Menschen in Ost- und Südostasien über 40 Jahre alt sein.
In der deutschen Elektro- und Digitalindustrie sind die drei größten Altersgruppen die der 55-, 56- und 57-Jährigen. Ein Viertel der Branchenbeschäftigten ist älter als 55 Jahre alt. Entsprechend müssen in den nächsten zehn Jahren etwa 225.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter altersbedingt ersetzt werden. Dem MINT-Frühjahrsreport des IW Köln zufolge fehlen schon jetzt 89 Tausend Fachkräfte allein in den Energie- und Elektroberufen.
Unter ökonomischen Gesichtspunkten bringt eine alternde und schrumpfende Gesellschaft eine ganze Reihe von Problemen mit sich. Zum einen steigt der so genannte Abhängigenquotient, sprich: das Verhältnis der Anzahl von Personen, die nicht mehr im Arbeitsalter sind, zur Zahl der Erwerbstätigen. Heute kommen in den Industrieländern noch drei 20-bis-64-Jährige auf eine über 65 Jahre alte Person. Bis 2050 werden es aber weniger als zwei sein.
Darüber hinaus bremst der mit einer alternden und kleiner werdenden Bevölkerung einhergehende Rückgang des volkswirtschaftlichen Produktionspotenzials die Investitionstätigkeit. Zudem ist eine ältere Gesellschaft nun mal weniger innovativ als eine jüngere. Schließlich dürfte auch die Wirtschaftspolitik umso wachstumsfreundlicher ausgestaltet sein, je jünger die Bevölkerung ist.
Zwar hilft Einwanderung einzelnen Ländern oder Blöcken, aber nicht der Welt insgesamt. Auch sind die Resultate bewusst familienfreundlicher Politiken allenfalls gemischt.
Der klassische Nationalökonom Thomas Robert Malthus (1766 bis 1834) hatte in seiner düsteren Abhandlung über das Bevölkerungswachstum und seine Folgen bekanntlich eine Verelendung der Massen prophezeit. Er lag damit komplett falsch, weil er den technologischen Fortschritt unterschätzt hat. Mit Bildung und technischem Fortschritt – man denke hier auch an Automation, Roboter oder künstliche Intelligenz – lässt sich die Produktivität steigern und damit den demografischen Herausforderungen begegnen.
Nach Adam Smith (dessen 300. Geburtstag dieses Jahr begangen wird) gehört zum liberalen Grundvertrauen, dass Menschen ihre Probleme in Selbstorganisation lösen können – wenn der Staat entsprechende Freiheiten gewährt und sein Regelrahmen die richtigen Anreize setzt.
Dr. Andreas Gontermann