Meinungsbeitrag

Axel Voss, Mitglied des Europäischen Parlaments

23.07.2020

Digitales während der Deutschen Ratspräsidentschaft: Die Zeit wird knapp und der Druck ist hoch

Dass Europa digital dringend aufholen muss, ist kein Geheimnis. Aktuell ist keines der 15 führenden Digitalunternehmen europäisch. Es gibt kein nennenswertes Betriebssystem, keinen Browser, kein soziales Netzwerk und keine Suchmaschine, die aus Europa kommt. Unsere Abhängigkeit von ausländischer Software, Hardware und Cloud-Diensten wächst stetig.

Daher rufe ich immer wieder dazu auf, endlich einen richtigen digitalen Binnenmarkt aufzubauen. Gerade die Covid-19 Pandemie zeigt deutlich, wie viel hier noch aufzuholen ist, wenn wir es nicht mal schaffen, Tracing Apps mit europaweit grenzüberschreitender Interoperabilität zu koordinieren. Häufig scheitern die Ansätze zur Harmonisierung nicht an Europäischer Kommission oder Parlament, sondern an der Mehrheitsfindung im Rat.

Auf der deutschen Ratspräsidentschaft, die am ersten Juli begann, ruhen große Hoffnungen und natürlich stehen die Verabschiedung vom Mehrjährigen Finanzrahmen und Recovery Fund sowie die Krisenbewältigung im Vordergrund. Doch auch bei der Digitalisierung haben wir enormen Zeitdruck. Hier müssen dringend Prioritäten auf Technologieentwicklung mit starken Investitionen gesetzt werden, um im Wettlauf mit China und den USA nicht vollständig ins Hintertreffen zu geraten. Wenn wir nicht in den nächsten paar Jahren vorankommen, riskieren wir nicht nur den Wohlstand künftiger Generationen, sondern auch unsere Sicherheit, unseren Datenschutz, unsere Werte.

Dazu muss man digitale Entwicklungen zulassen und nachhaltig fördern, statt sie unnötig zu bürokratisieren. Hier haben wir viele Baustellen. So auch beim Thema 5G: Hier brauchen wir einen Plan mit strategischen Investitionen und finanziellen Anreizen für Mitgliedsstaaten, der einen schnellen, unbürokratischen und kosteneffizienten Netzausbau ermöglicht. Im Bereich der Künstlichen Intelligenz fehlen Investitionen, es mangelt an Algorithmentraining und es herrscht große Unsicherheit bei Unternehmen durch die anhaltenden Diskussionen über rechtliche und ethische Fragen. Hier muss ein klarer Rahmen mit angemessenen Haftungsregeln sichergestellt sowie der Daten- und Wissensaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten erhöht werden. Auch im Bereich von Cloud Computing stehen viele solcher grundlegenden politischen Entscheidungen noch aus.

Ich bin froh, dass die Digitalisierung mit Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft ist. Doch es ist wirklich allerhöchste Zeit, auf Worte Taten folgen zu lassen, sonst finden wir uns in Zukunft als Datenkolonie der USA oder Chinas wieder.

 

Axel Voss
Mitglied des Europäischen Parlaments