23.07.2020

Interview nach 2 Jahren Peking

Franziska Wirths ist seit November 2018 als Industrie-Referentin in der Wirtschaftsabteilung der Deutschen Botschaft in Peking tätig. Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt auf den Themen Industrie 4.0 und Digitalisierung. Im November wird sie nach 2 Jahren wieder nach Deutschland zum ZVEI zurückkehren.

Frau Wirths, die deutsche Industrie hat in China einen guten Ruf. Warum eigentlich immer noch? China ist doch selbst eine bedeutende Industrienation…

Deutsche Produkte stehen für hohe Qualität, Verlässlichkeit und exzellente Ingenieurstätigkeit. Speziell im Hochtechnologiebereich hat die deutsche Industrie in China einen ausgezeichneten Ruf. China ist seit Jahren bestrebt im Hochtechnologiebereich , insbesondere im Bereich der industriellen Produktion zu den westlichen Industrienationen nicht nur aufzuschließen, sondern selbst an die Weltspitze zu gelangen. Die Digitalisierung der traditionellen Industrien hat einen hohen Stellenwert, hierbei hat China jedoch noch aufzuholen. Gut aufgestellt ist China hingegen im Bereich eCommerce sowie der Kommerzialisierung von KI-Anwendungen.

Was kann Deutschland (Europa) diesbezüglich von China lernen?

Chinas Stärke bei der Kommerzialisierung von KI-Anwendungen, vor allem im Bereich der Bild- oder Sprachanalyse, beruht in manchen Bereichen auf Gegebenheiten, die Europa eher kritisch betrachtet werden – etwa die Verfügbarkeit personenbezogener Daten, und die starke politische Unterstützung zur Durchsetzung dieser Technologien. In China beobachtet man aber auch eine enorme Dynamik, insbesondere bei Start-ups. Die Mitarbeiter dort sind sehr engagiert und motiviert und setzen Ideen, oftmals auch bedingt durch kurze Entscheidungswege, rasch in Projekten und Anwendungsbeispielen um.

Auf China wird hierzulande – beginnend mit der Coronakrise und aktuell mit dem „Sicherheitsgesetz“ – deutlich kritischer geblickt. Spüren Sie das bei Ihrer Arbeit bzw. Begegnungen mit chinesischen Partnern

China verfolgt eine klar interessensorientierte Wirtschaftspolitik. Uns wird immer mehr bewusst, dass China nicht nur als Partner, sondern auch Wettbewerber ist, insbesondere auf Drittmärkten. Wir müssen in der Zusammenarbeit mit China Potenziale für Kooperationen identifizieren, die im gegenseitigen, langfristigen Interesse sind. Gleichzeitig müssen wir stärker unsere eigenen Interessen sowohl für Deutschland als auch für Europa definieren. Dabei gilt es gerade vor dem Hintergrund staatlicher Subventionen und den Aktivitäten chinesischer Staatsunternehmen auf gleiche Wettbewerbsbedingungen in der bilateralen Wirtschaftspolitik zu achten. Trotz kritischeren Blicks von außen, spüren wir aber kaum Veränderungen in der Zusammenarbeit mit den chinesischen Partnern. Deutschland wird weiterhin als wichtiger Wirtschaftspartner in Europa gesehen.

Sie sind während der Corona-Krise im Lockdown gewesen. Wie haben Sie die Situation empfunden?

Der Lockdown in China war im Vergleich zu Deutschland deutlich strenger. Zwar gab es in Peking in dem Stadtteil, in dem ich wohne und in dem sich die deutsche Botschaft befindet, zu keiner Zeit kategorische Ausgangssperren, dennoch kam das öffentliche Leben Anfang Februar zum Erliegen. Restaurants waren geschlossen, Unternehmen schickten ihre Mitarbeiter ins Homeoffice, und Wohnkomplexe, Nachbarschaften und Bürogebäude führten strikte Zugangskontrollen ein, inklusive Temperaturmessungen und dem verpflichtenden Vorzeigen von Zugangskarten. Mehrspurige Hauptverkehrsstraßen in Peking hatten zeitweise ein Verkehrsaufkommen vergleichbar mit kleinen Ortschaften in Deutschland. In der Botschaft hatten wir unterdessen ein hohes Arbeitsaufkommen mit Repatriierungsflügen aus Wuhan, Anfragen von Landsleuten und von der Krise in China betroffenen deutschen Unternehmen. Noch heute sind die Covid-19-Regeln äußerst strikt. So wurden noch vor wenigen Wochen große Teile Pekings wegen einzelner Krankheitsfälle geschlossen. Auch wir durften Peking in dieser Zeit nur in Ausnahmen verlassen.

Schließlich, was bringen Sie für sich persönlich aus China mit bzw. worauf freuen Sie sich in Deutschland?

In den vergangen zwei Jahren hatte ich viele Gelegenheiten, in verschiedene Provinzen zu reisen und das Land in seinen verschiedenen Facetten zu entdecken und kennenzulernen –  von der Kultur, über die Küche, die Natur bis hin zu den lokalen Traditionen. Insbesondere die Begegnungen mit den Menschen vor Ort und ihre Herzlichkeit werden mir in guter Erinnerung bleiben. In Deutschland freue ich mich darauf, Familie und Freunde wieder häufiger zu sehen – und natürlich auf das bayerische Essen in der Heimat.