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02.04.2024

„Es geht um Wertschätzung“

Silke Sichter, die im ZVEI für China-Themen zuständig ist, hat an einem Schulungsprogramm des Business Councils for Democracy teilgenommen. Mit Ihrer Trainerin Gilda Sahebi spricht sie im Interview über digitale Erfahrungen mit Hassrede, Desinformation und Verschwörungserzählungen.

Blick ins Labor

„Es geht um Wertschätzung“

Silke Sichter, die im ZVEI für China-Themen zuständig ist, hat an einem Schulungsprogramm des Business Council for Democracy teilgenommen. Mit ihrer Trainerin Gilda Sahebi spricht sie im Interview über digitale Erfahrungen mit Hassrede, Desinformation und Verschwörungserzählungen. 

 

Frau Sichter, warum haben Sie an dem Schulungsprogramm teilgenommen? 

Silke Sichter: Ich bin oft in den sozialen Medien unterwegs, lese viel und poste auch, zumeist beruflich. Ich finde natürlich auch immer wieder Beiträge, die ich gern kommentieren würde. Ich bin dann oft hin- und hergerissen und frage mich, wie ich klar Stellung beziehen kann, ohne aber zu provozieren, anzuecken oder gar jemanden zu verletzen. Ich will schließlich Positives bewirken.

Frau Sahebi, sind das typische Motive für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Ihrer Schulungen? 

Gilda Sahebi: Die Motive sind individuell sehr unterschiedlich. Wir haben viele, die noch gar nicht in den sozialen Medien aktiv sind, sich dafür aber interessieren. Andere finden sich nicht mehr zurecht und fühlen sich überfordert. Einigen geht es mehr um die eigenen Kinder: Sie wollen eine Vorstellung davon haben, was die so im Netz erleben. Und dann gibt es Menschen, die sich Sorgen angesichts der Spaltung und Polarisierung in der Gesellschaft machen. 

Frau Sichter, haben Sie schon einmal einen Beitrag gepostet, auf den mit Hassrede oder Verschwörungserzählungen reagiert wurde? 

Silke Sichter: Tatsächlich habe ich bisher immer vermieden, Posts einzusetzen, die eine solche Reaktion hervorbringen könnten. Da herrschte bei mir immer eine gewisse Verunsicherung, weil ich einfach zu wenig Erfahrungen mit der digitalen Diskussionskultur habe. Der Austausch über Zweizeiler mit Menschen, von denen ich im Grunde überhaupt nichts weiß, fällt mir schwer. Wie kann das funktionieren? Ich hatte zu viele Fragen, auf die ich keine Antworten wusste. Wie kann ich die Argumente richtig anbringen? Ist es überhaupt richtig, überzeugen zu wollen? 
 

Es geht um Wertschätzung und Medienkompetenz – beides sind gute Mittel gegen Hassrede und Desinformation. Von beidem können wir nicht genug haben.

Silke Sichter

Jetzt kennen Sie die Antworten?

Silke Sichter: Ich habe verstanden, dass es sehr oft nicht darum gehen kann, jemanden zu überzeugen. Häufig sollte man einfach zuhören und Fragen stellen, anstatt sich auf die Gegenrede und Gegenargumente zu fokussieren. Jetzt will ich gern ein bisschen ausprobieren, intensiver in den Dialog zu treten. 
 

Frau Sahebi, können Sie Erfahrungen mit Hassrede schildern?

Gilda Sahebi: Die erlebe ich jeden Tag. Es gab Veröffentlichungen über mich, auf die mit besonders viel Hass reagiert wurde. Ich habe gelernt, damit umzugehen. Mir hat mal meine spirituelle Lehrerin geschrieben: What is not love, is not real. Es interessiert mich nicht, was diejenigen schreiben, die mir Hass entgegenbringen. Da wird irgendetwas projiziert. Es hat mit mir nichts zu tun.  
 

Haben Sie eine bestimmte Strategie, damit umzugehen?

Gilda Sahebi: Ich muss niemandem etwas beweisen. Ich muss nicht widersprechen. Ich tue nichts, um gemocht zu werden. Wenn mir Menschen im Netz Hass entgegenbringen, dann ist es ihre Entscheidung. Es ist eine Projektion. 

Wir sollten uns bewusst machen, dass es etwas Positives hat, wenn wir merken, dass wir mit einer unserer Positionen falsch lagen. Denn dann haben wir etwas gelernt.

Gilda Sahebi

Wie gehen Sie mit Desinformationen um?

Silke Sichter: Ich fand es spannend, sich die Unterschiede zwischen Falsch- und Desinformation bewusst zu machen. Falschinformationen werden unbeabsichtigt weitergegeben. Bei der Desinformation gibt sich jemand Mühe, Dinge bewusst falsch darzustellen, um eine bestimmte Wirkung zu entfalten. Ich hatte aber auch vor der Schulung schon gelernt, mehrere Quellen heranzuziehen und vor allem die Quellen zu hinterfragen.

Gilda Sahebi: Wenn mehr Menschen diese Neugier hätten, wenn sie offen wären, um wirklich etwas herauszufinden, dann hätten wir viele Probleme nicht. Desinformation lebt davon, dass viele Menschen mit vorgefertigten Geschichten kommen und nur die Informationen suchen, die in diese Geschichten passen, ohne etwas zu hinterfragen.

Frau Sichter, gibt es einen besonderen Kerngedanken, den Sie aus der Schulung mitgenommen haben?

Silke Sichter: Ich habe zwei Wörter im Kopf, die das Gelernte aus dem Seminar gut beschreiben: Es geht um Wertschätzung, für sich selbst und anderen gegenüber, und Medienkompetenz – beides sind gute Mittel gegen Hassrede und Desinformation. Von beidem können wir nicht genug haben, gerade auch im Hinblick auf unsere Werte und unsere wertvolle Demokratie.

Frau Sahebi, gibt es einen besonderen Kerngedanken, den Sie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Schulungen mitgeben möchten? 

Gilda Sahebi: Wir sollten uns bewusst machen, dass es etwas Positives hat, wenn wir merken, dass wir mit einer unserer Positionen falsch lagen. Denn dann haben wir etwas gelernt. Wenn man ständig recht hat, lernt man gar nichts. Mit einer solchen Einstellung können wir offen in Diskussionen gehen. 
 

ZU DEN PERSONEN

Gilda Sahebi wurde 1984 im Iran geboren. Im Alter von drei Jahren kam sie nach Deutschland, weil ihr Vater vor einer drohenden Hinrichtung aus dem Iran fliehen musste. Sahebi studierte Humanmedizin und Politikwissenschaft und arbeitet heute als Journalistin und Buchautorin. Unter anderem beschäftigt sie sich dabei mit der Situation im Nahen Osten sowie mit Menschenrechten und der Lage der Frauen im Iran.  

Silke Sichter wurde 1973 in Berlin geboren, verbrachte Teile ihrer Kindheit in Südamerika und ist Mutter von zwei Kindern. Sie ist studierte Bauingenieurin und seit 2005 als Senior Managerin China & Asia-Pacific Affairs, Global Affairs & Economics für den ZVEI in Frankfurt tätig. Ihr Schwerpunkt lag zunächst im Bereich der technischen Marktzugangsbedingungen und Standardisierung, heute hat sie insbesondere China und die Asien-Pazifik-Region im Blick.

 

Text Christian Buck | Bilder ZVEI, Hannes Leitlein

 

Dieser Artikel ist Teil der Ausgabe 1.2024, die am 15. April 2024 erschienen ist.

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