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16.01.2023

Energieschub

Superkondensatoren können in kurzer Zeit sehr viel Energie aufnehmen und wieder abgeben. Die estnische Firma Skeleton Technologies, die mit einem Großteil ihrer Beschäftigten in Sachsen tätig ist, hat ein innovatives Grundmaterial dafür entwickelt.

Blick ins Labor

Energieschub

Superkondensatoren können in kurzer Zeit sehr viel Energie aufnehmen und wieder abgeben. Die estnische Firma Skeleton Technologies, die mit einem Großteil ihrer Beschäftigten in Sachsen tätig ist, hat ein innovatives Grundmaterial dafür entwickelt.

Wer ab Sommer 2023 in Mannheim in der Straßenbahn sitzt, wird mithilfe von Superkondensatoren durch die Stadt gefahren. Auf dem Dach eines jeden der 80 Züge, die der tschechische Hersteller Skoda Transportation baut, wird ein ungefähr zwei Quadratmeter großer, 20 Zentimeter hoher Aufbau zu sehen sein. In ihm stecken Dutzende in Reihe geschaltete Superkondensatoren. Die speichern in wenigen Sekunden eine so hohe Menge Bremsenergie, dass sie für das Wiederanfahren der Bahn reicht. „Das spart 30 Prozent Energie und sorgt zudem für mehr Netzstabilität, weil die hohen Energieleistungen nicht mehr aus den Stromnetzen geholt werden müssen“, sagt Sebastian Pohlmann, Vice President Automotive & Business Development von Skeleton Technologies, dem Unternehmen, das die Superkondensatoren entwickelt und produziert. 

Superkondensatoren können auch in Motoren, Aufzugs- und Gabelstaplerantrieben, Notstromaggregaten und vielen anderen Anwendungen eingesetzt werden. Sie bestehen aus zwei leitfähigen Elektroden aus Kohlenstoff, die durch einen Elektrolyten voneinander getrennt sind. Im Elektrolyt befinden sich Ionen, also geladene Teilchen. Wenn eine Spannung angelegt wird – wie etwa durch die Bremsenergie der Straßenbahn –, fließen die Ladungsträger zu einer Elektrode. So entsteht ein elektrisches Feld, das die Energie speichert. Die Supercaps, wie sie auch genannt werden, haben dabei enorme Vorteile gegenüber klassischen Lithium-Ionen-Akkus. Sie haben zwar nicht so große spezifische, also auf das Gewicht oder den Bauraum bezogene Speicherkapazitäten, lassen sich dafür aber ein bis zwei Millionen Mal laden, können nicht brennen oder explodieren, wenn sie sich erhitzen, und verzichten auf die teuren Rohstoffe Lithium und Kobalt, deren Abbau zudem die Umwelt schädigen kann.

 

Ohne Kobalt und Co: Graphen dient als Speichermaterial.

Für die Elektroden verwendet Skeleton reines Graphen, eine ultradünne Kohlenstoffschicht. Die Technologie ist schon länger bekannt, hatte aber den Nachteil, dass sie nur begrenzte Speicherkapazitäten aufwies. Das Unternehmen hat nun eine eigene Lösung entwickelt, das sogenannte Curved Graphene, ein Material, das die Gründer der Firma seit den 1990er-Jahren erforschen. Sebastian Pohlmann verdeutlicht mit einem Blatt Papier, was die Skeleton-Wissenschaftler erfunden haben. „Wenn man die Kohlenstoffschichten einfach übereinanderlegt, blockieren sich ihre Oberflächen gegenseitig und können nicht so viel Energie speichern. Wir haben sie gewissermaßen zerknittert und verhindern so, dass die einzelnen Graphen-Lagen sich aufeinanderlegen“, sagt er, während er das Papier zu einem kleinen Ball zusammendrückt. 

Befürchtungen, dass jemand die Technologie kopieren kann, hat Pohlmann nicht. Das Know-how ist durch Patente geschützt. „Wenn ein Unternehmen versuchen würde, unsere Produkte nachzubauen, würde es ohne Insiderwissen wahrscheinlich zehn Jahre dauern, bis es die Entwicklung vom Labor- in den Industriemaßstab schaffen würde.“ Die lange eigene Entwicklungszeit schützt das Wissen also doppelt – und war auch in den Jahren kein Problem, sagt Pohlmann. „Unsere Investoren hatten Geduld, weil sie wussten, dass es dauern kann.“ 

Es würde zehn Jahre dauern, unsere Produkte nachzubauen.

Dr. Sebastian Pohlmann

Vice President Automotive & Business Development, Skeleton Technologies

Zudem setzt Skeleton auf Förderprogramme. So wird das Unternehmen seit 2021 im Rahmen des Programms „Important Project of Common European Interest (IPCEI) Batteries“ unterstützt, das die europäische Batterieforschung vorantreiben soll. Skeleton bekam von der Bundesregierung und dem Land Sachsen 51 Millionen Euro, mit denen es über fünf Jahre die Fertigung im sächsischen Großröhrsdorf automatisieren und die Produktionskosten für die Kondensatoren um 90 Prozent senken will. 

Die in Estland gegründete Firma beschäftigt rund 180 ihrer 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Deutschland, nun wird sie noch einmal stark wachsen. Mitte Juli verkündete sie, dass sie in Markranstädt bei Leipzig ein neues Werk bauen will, das in der ersten Phase 20-, langfristig dann 40-mal so viele Superkondensatoren wie die alte Fabrik herstellen kann. 240 Jobs sollen entstehen, das Unternehmen investiert insgesamt 220 Millionen Euro. Skeleton arbeitet neben der Skalierung der Technologien zudem auch an einer hybriden Speicherform, die schon bald auf den Markt kommen soll. Pohlmann sagt dazu: „Wir werden bis 2024 eine Hochleistungsbatterie anbieten, die Kondensatoren mit elektrochemischer Speicherung kombiniert, einen Speicherbereich zwischen 30 Sekunden und zehn Minuten abdeckt und somit die Vorteile beider Technologien vereint.“

 

Text Marc-Stefan Andres | Bild Shutterstock/ Siberian Art

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 4.2022 am 8. November 2022 erschienen.

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