ampere 1+2.2021
Um effizienter und zukunftsfähig zu werden, muss die Digitalisierung im Gebäudesektor deutlich zunehmen. Das höchste Potenzial liegt dabei nicht im Neubau, sondern im Umgang mit Bestandsgebäuden.
Lange war das Gebäude eine Art Stiefkind der Energiewende. Die Politik wollte es zwar warm einpacken, betrachtete Wohn- und Zweckgebäude aber vorrangig unter defizitären Aspekten: Es sollte weniger fossile Energie für die Wärmeerzeugung verwendet und weniger Wärme an die Umgebung abgegeben werden. Grundsätzlich sinnvoll ist höhere Effizienz auf jeden Fall. Denn wenn die Urbanisierung wie derzeit voranschreitet, dürfte sich einer Studie des Mercator-Instituts zufolge der Energieverbrauch der Städte weltweit bis 2050 verdreifachen. Doch mittlerweile wird erkannt: Das Gebäude stellt eine Art Drehkreuz für die Energiewende dar. Denn es kann – beispielsweise über Dächer und in die Fassade integrierte Photovoltaik – selbst Energie erzeugen. Sowohl die Wärmetechnik als auch Akkuzellen im Keller bieten eine Speichermöglichkeit für fluktuierend erzeugte Energie aus erneuerbaren Quellen. Ladepunkte zuhause und am Arbeitsplatz sind der Schlüssel für den Durchbruch der Elektromobilität. Und nicht zuletzt: Die vernetzte digitale Steuerung all dieser Subsysteme bietet einen enormen Nutzen für die Stabilität der gesamten Stromversorgung.
⅓ der energiebedingten CO2-Emissionen
entfallen in Deutschland auf den Gebäudesektor.
Das im Herbst 2020 in Kraft getretene Gebäudeenergiegesetz (GEG), das verschiedene Regelwerke in einem Gesetz zusammenfasst, ist ein erster Schritt auf dem Weg, diese Möglichkeiten zu realisieren. Allerdings sind die Einzelbestimmungen im GEG aus Sicht des ZVEI teilweise zu wenig ambitioniert. So sind beispielsweise einzelne Gewerke gegeneinander zu verrechnen, was dazu führen kann, dass in einem sehr gut wärmegedämmten Gebäude weniger hohe Anforderungen an die Lichttechnik gelten.
Doch das höchste Potenzial liegt nicht im Neubau, sondern im Umgang mit Bestandsgebäuden. Während die Erneuerung der Wärmetechnik zumindest voranschreitet, fehlen die Voraussetzungen für ein digitales Energiemanagement in der Mehrzahl aller Gebäude weiterhin. Oft scheitert es schon an der Elektroinstallation, die in rund drei Vierteln aller Wohngebäude aus der Zeit vor der deutschen Wiedervereinigung stammt. Vergleichbare Zahlen für Nichtwohngebäude liegen nicht einmal vor. Zwar gibt es mittlerweile attraktive Förderprogramme für die Gebäudesanierung, die jedoch oft mit dem Makel verbunden sind, dass sie nur greifen, wenn eine sehr umfangreiche Sanierung ansteht. Das geht an der Wirklichkeit vorbei, denn Eigentümer entscheiden meist anhand der eigenen Finanzsituation und der Frage, welche Maßnahmen sich für sie persönlich auszahlen. Eine breitere Förderung von Einzelmaßnahmen über den Heizungstausch hinaus könnte dazu beitragen, neue Technologien schneller in den Markt zu bringen.
Nicht zu vergessen: Geplant und eingebaut werden diese Technologien in Alt- wie Neubau immer durch einen Elektrohandwerker. Ausreichend qualifizierten Nachwuchs im Handwerk zu sichern, ist daher eine „conditio sine qua non“ für das Gelingen der Energiewende im Gebäude. Die grundsätzliche Qualifizierung ist wichtig und trägt zum Gelingen der Energiewende bei.
Niemand bestreitet, dass es sinnvoll ist, neue Gebäude auf Elektromobilität vorzubereiten, auch wenn diese heute erst einen geringen Marktanteil besitzt. Dennoch wird in Berlin intensiv über das Verlegen von Leerrohren diskutiert. Hinter dem Streit steckt letztlich das vielfach geäußerte Credo: „Bauen darf keinesfalls teurer werden.“ Die Betrachtungsweise muss weg von der Investition hin zu einer Lebenszykluskostenbetrachtung. Somit rentieren sich Investitionen in moderne Gebäudetechnik durchaus – in Mietobjekten allerdings nur, wenn intelligente Modelle für die Verteilung der Betriebskosten gefunden werden. Es ist zudem utopisch, dass wir moderne Städte, deren Gebäude Teil intelligenter Energienetze sind, zum Nulltarif bekommen. Vielmehr gilt es, die richtigen Anreize für zukunftsweisende Investitionen zu setzen.