ampere 1+2.2021
Trotz eines Umsatzeinbruchs infolge von Corona blickt der Leitmarkt Industrie optimistisch auf die kommenden Jahre. Für eine energieeffiziente und nachhaltige Produktion müssen Fabriken noch stärker automatisiert und digitalisiert werden.
Vom Umsatz der deutschen Elektroindustrie, der im Jahr 2020 bei rund 180 Mrd. Euro lag, entfällt rund ein Drittel auf den Leitmarkt Industrie. Ohne die Zehntausende von Produkten, die sowohl von hochspezialisierten Mittelständlern als auch von breit aufgestellten Konzernen gefertigt werden, würde keine Fabrik laufen. „Es geht um Vernetzung, Steuerung und Automation – ein Bereich, der durch die zunehmende Digitalisierung weiter wachsen wird“, sagt Gunther Koschnick, der diesen Leitmarkt im ZVEI verantwortet. Ein weiterer wichtiger Treiber für die Zukunft ist das Thema Nachhaltigkeit. Um zum Beispiel energieeffizienter produzieren zu können, muss die Industrie auf Innovationen setzen, die auch und vor allem in der Elektrotechnik entstehen. So bieten die Hersteller zum Beispiel Messtechnik und Sensorik an, die sichtbar macht, was in den Produktionsanlagen passiert. Sie stellen Elektromotoren und Antriebe her, die Maschinen und Fließbänder bewegen. Sie sorgen mit komplexen Schaltgeräten dafür, dass die Energie fließt und an der richtigen Stelle ankommt. Oder sie entwickeln Steuerungs- und Automationskomponenten, die State-of-the-art-Kommunikationstechnologien wie TSN (Time-sensitive Networking) oder 5G einsetzen, um das industrielle Internet der Dinge voranzutreiben und so neue Analyse- und Optimierungschancen mit Künstlicher Intelligenz zu nutzen.
10 % Energieeinsparung
ermöglicht eine Gleichstrom-Infrastruktur im Schnitt in der Industrie.
Die Produkte, die in Deutschland entstehen, spielen dabei für die globale Wirtschaft eine wichtige Rolle. „Deutschland stattet als Innovationstreiber die Fabriken der Welt mit entscheidenden Komponenten aus“, sagt Gunther Koschnick. Knapp die Hälfte der Exporte geht dabei in die Länder der Europäischen Union. Fast allen Märkten gemeinsam war der Einbruch, den Corona nach Jahren des Wachstums verursachte. Allein der Umsatzrückgang der deutschen Elektroindustrie betrug im vergangenen Jahr 4,4 Prozent. Das wird sich, sofern es das Pandemie-Geschehen zulässt, in den kommenden Jahren wieder ändern. „Allerdings werden die Vor-Corona-Umsätze sicherlich erst 2022 wieder erreicht werden“, erklärt Koschnick. Für die Zukunftsfähigkeit der Elektrotechnik-Branche spricht übrigens, dass gerade Firmen mit einem hohen Automatisierungsgrad in einer solchen Zeit besonders gut weiterproduzieren können.
Für den Markt bestehen aber auch einige Gefahren, ergänzt Gunther Koschnick. Der Erfolg hängt immer auch von der Versorgung mit Vorprodukten ab. So benötigen die Industrieausrüster Leistungshalbleiter für die elektrischen Antriebe, die laut Koschnick „der Muskel der Automation und der Hebel für die energieeffiziente Produktion“ sind. Dabei konkurrieren sie unter anderem mit der Autoindustrie, die mit stark wachsenden Stückzahlen bei Elektroautos rechnet. „Wir müssen in Europa ein Investitionsklima dafür schaffen, dass die bereits bestehenden Halbleiterfabriken erneuert werden und weitere Kapazität in neuen Fabs geschaffen wird“, sagt der Experte. Ähnliches gelte für Elektrobleche oder Magnete. „Unsere Branche benötigt sichere und diversifizierte Versorgungswege sowie innovative Alternativen, um auch auf Dauer so erfolgreich sein zu können.“
Die CO2-neutrale Fabrik, die auf Gleichstrom setzt und damit deutlich energieeffizienter arbeitet, oder der Digitale Zwilling, der die Produktion auf eine neue Stufe hebt: Das sind zwei von vielen Zukunftsaufgaben für den Leitmarkt Industrie im ZVEI. Immer wieder gilt es, die Regulierung an die technische Entwicklung anzupassen – etwa wenn die aktuelle EEG-Novelle leider noch dem flächendeckenden Einsatz eines intelligenten und offenen Gleichstromnetzes entgegensteht. Mit unseren innovativen Mitgliedsunternehmen und hochkarätigen Forschungsinstituten wollen wir zudem unsere Technologien weiter verbessern – und das wo möglich firmenübergreifend, um unseren Standort noch stärker zu machen. Diese Gemeinschaftsforschung im vorwettbewerblichen Raum ist weltweit einzigartig, und darauf wollen wir auch in Zukunft setzen. Wichtig ist für uns zudem, dass wir uns weiterhin global orientieren, um erfolgreich zu bleiben: Neben den EU-Staaten und den USA sind die asiatischen Länder und allen voran China unsere Haupthandelspartner – und das soll so bleiben.