Im Bereich der hochintegrierten Logikchips ist Europa weitgehend von Importen abhängig. Sollte sich das aus Ihrer Sicht in Zukunft ändern?
Es ist immer gut, Abhängigkeiten zu verringern – vor allem im Lichte der steigenden Bedeutung der Mikroelektronik. Darum bin ich sehr dafür, in Europa auch Kompetenzen für hochintegrierte Logikchips aufzubauen. Man muss sich aber auch klarmachen: Eine komplette Unabhängigkeit ist angesichts unserer globalisierten Wirtschaft – insbesondere in der Halbleiterbranche – in den nächsten 20 Jahren nicht möglich. Dafür sind die gegenseitigen Abhängigkeiten in den Lieferketten einfach zu groß. Eine Abschottung wäre darum kontraproduktiv und würde weitere Innovationen verhindern. Das gilt aus meiner Sicht auch generell: Wir können die großen Probleme der Welt nur gemeinsam lösen.
Wie können wir trotzdem resilienter werden?
Der European Chips Act zeigt, wie das gelingen könnte. Ziel der EU ist es ja, neben der Fertigung unter anderem auch Forschung und Bildung im Bereich Mikroelektronik in Europa zu stärken. Wenn es uns tatsächlich gelingt, mehr Innovationen hervorzubringen und mit den klügsten Köpfen die besten Technologien zu entwickeln, können wir mit unseren Partnern weltweit auf Augenhöhe agieren. Denn die Abhängigkeiten sind ja keineswegs einseitig – nicht nur wir brauchen die USA und Asien, sondern diese Regionen brauchen auch uns. Neben einem Vorsprung bei Innovationen sollten wir künftig aber auch darauf achten, Rohstoffe, Maschinen und Software nicht nur aus einer einzigen Quelle zu beziehen.
Sie haben den European Chips Act schon angesprochen. Kommen die Maßnahmen schnell genug?
Ich begrüße den European Chips Act sehr. Mit seiner umfassenden Herangehensweise gibt er einen sehr guten Rahmen vor. Gleichwohl gilt es, weiter Tempo zu machen, damit die ehrgeizigen Ziele auch erreicht werden.
Welche weiteren Wünsche haben Sie an die Politik, um Europa technologisch souveräner zu machen?
Ich wünsche mir eine Standortpolitik, die Investitionen gezielt fördert. Wir brauchen beispielsweise Ökosysteme wie in Dresden, wo Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Zulieferer in einem Cluster nahe beieinander sind. Ein weiterer wichtiger Punkt sind wettbewerbsfähige Energiepreise. Die Strompreise sich durchaus ein relevanter Kostenfaktor. Sie sind in Deutschland deutlich höher als andernorts. Auch die Versorgungssicherheit ist ein wichtiges Thema. Wir müssen unsere Stromnetze ausbauen, digitalisieren und mit Speichern ausstatten, um Stromrationierungen oder sogar Abschaltungen zu verhindern.
Wie stark spüren Sie den Fachkräftemangel?
Infineon engagiert sich stark in den Bereichen Dekarbonisierung und Digitalisierung. Das spricht viele junge Menschen an, die einen Sinn in ihrer Arbeit finden wollen. Darum war es für uns nicht allzu schwierig, in den vergangenen zwei bis drei Jahren in Mitteleuropa viele neue Mitarbeitende einzustellen. Im Moment konzentrieren wir uns darauf, sie ins Unternehmen zu integrieren. Grundsätzlich ist der steigende Bedarf an technischen Fachkräften aber ein Riesenthema für unsere Branche und die gesamte Gesellschaft. Wir werden sie nur bekommen, wenn wir schon in der Grundschule Begeisterung für Technik wecken. Auch das wird uns technologisch souveräner machen.