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17.11.2022

Die ZVEI-China-Thesen

China ist der wichtigste Markt für die deutsche Elektro- und Digitalindustrie. Dennoch findet schon seit einiger Zeit ein deutlich wahrnehmbares Umdenken in der Bewertung Chinas statt.

China hat sich zu einer selbstbewussten, politisch ambitionierten und wirtschaftlich starken Weltmacht entwickelt. Chinas Erfolg basiert auf einem anderen Rechte- und Wertesystem als das, westlicher Industriestaaten. Das Erfolgs- und Wohlstandsmodell Europas dagegen basiert auf freiem Welthandel und Zugang zu anderen Märkten. Über ihre unternehmerischen Aktivitäten trägt die Industrie in vielen Teilen der Welt zu einer Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen vor Ort bei und leistet damit einen wesentlichen Betrag für den Wohlstand in Deutschland und Europa. 

Die deutsche Elektro- und Digitalindustrie stellt sich dem Wettbewerb mit China unter der Prämisse Chancen nutzen – Herausforderungen annehmen – Risiken managen. 
Der ZVEI stellt hier seine Positionen zu China vor, die die offensive Stärkung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit, die Diversifizierung als Schlüssel für eine versorgungssichere Zukunft und eine abgestimmte, selbstbewusste und konsequente Haltung gegenüber dem Land in den Fokus nehmen.

Diese müssen Teil einer deutschen Chinastrategie sein, deren Ausarbeitung der ZVEI unterstützt, die aber die unbedingte Abstimmung mit der EU erfordert. Es braucht eine europäische Politik aus einem Guss gegenüber China, um unsere Positionen auf Augenhöhe vertreten zu können.

Die Thesen

Unsere Positionen und Forderungen

China ist wichtigster Markt für deutsche Elektro- und Digitalindustrie.

  • Unser Motto für den Umgang mit China lautet: Chancen nutzen – Herausforderungen annehmen – Risiken managen!
  • Unternehmerischen Geist bewahren: Deutsche und europäische Unternehmen engagieren sich seit vielen Jahren (manche seit Jahrzehnten) in China. Die meisten Unternehmen tun dies, wie überall auf der Welt, auf eigenes unternehmerisches Risiko. Solche Unternehmen sollten nicht in ihrer unternehmerischen Freiheit eingeschränkt werden (auch nicht in der Freiheit, Risiken einzugehen). Es gilt, freies Unternehmertum und wirtschaftliche Tätigkeit auch weiter frei ausüben zu können und nicht durch staatliche Vorgaben zu beeinträchtigen.
     

Diversifizierung von globalen Liefer- und Kundennetzwerken, um einseitige Abhängigkeiten zu verringern. Chancen ergeben sich vor allem im Asiatisch-Pazifischen Raum.

  • Die Europäische Rohstoffpolitik (Critical Raw Materials) muss darauf ausgerichtet sein, einseitige Abhängigkeiten von China zu reduzieren. Bei den sogenannten „Seltenen Erden“ kommen heute 86% der geförderten Mengen aus China, 98% werden in China weiterverarbeitet. Alternativen finden sich u. a. in Kanada, den USA, Südamerika und Afrika. Bisher sind nur wenige Länder neben China bereit, diese Rohstoffe zu fördern und bis zur industriellen Verwendbarkeit weiterzubearbeiten. Im europäischen Interesse sollten Rohstoffkooperationen im Rahmen von FTAs und anderen Initiativen gefördert werden. Dies gilt es durch politische Rahmenbedingungen, zum Beispiel auch bei EU-Strafzöllen und EU-Investitionsprogrammen wie die Global Gateway Initiative zu sichern.
  • Lieferketten- und Netzwerke der europäischen Industrie können mittelfristig diversifiziert werden, gerade auch im Asiatisch-Pazifischen Raum. Die Elektro- und Digitalindustrie analysiert gerade das Potenzial und die Infrastruktursituation u. a. in Südkorea, Singapur, Vietnam und Indonesien. Für einen so großen Markt wie China gibt es aber keinen „Ersatz“.

Konsequente Industrie-, Handels- und Außenpolitik „aus einem Guss“ ist Schlüssel für wettbewerbsfähige Zukunft.

  • Europa und Deutschland fit machen für die Zukunft: Offensive Stärkung der eigenen Wettbewerbsfähig- keit – Chinapolitik muss Teil einer global ausgerichteten EU-Außen-, Industrie- und Handelspolitik sein. Europa und Deutschland müssen sich auf die Stärkung ihrer eigenen internationalen Wettbewerbsfähigkeit konzentrieren. Der Fokus auf Strategische Souveränität, die Förderung und der Ausbau von Technologien und Ökosystemen und eine Stärkung der Resilienz sind richtig und sollten auch von der nächsten EU- Kommission (ab 2024/25) fortgesetzt werden. IPCEIs bieten gute Chancen, private und öffentliche Investiti- onen zu bündeln. Darüber hinaus brauchen wir im Wettbewerbsrecht eine stärkere Berücksichtigung der glo- balen Wettbewerbssituation. Wir brauchen Internationale Standards und eine staatliche Förderung der stra- tegisch wichtigen Normungsarbeit.
  • Die Europäische Handelspolitik sollte darauf ausgerichtet sein, Zugang zu anderen Märkten zu schaffen und zu gewährleisten. Wir brauchen mehr zielgerichtete Free Trade Agreements (FTAs) und sollten aktuelle Ratifizierungsverfahren (z. B. CETA, Mercosur und Indien) zügig abschließen und neue Kooperations- und Investitionsmöglichkeiten mit dem Globalen Süden anstreben. Das EU-China Investitionsabkommen CAI ist gescheitert, es darf aber kein Vakuum geben. Im Rahmen eines Handelspolitischen Dialogs zwischen der EU-Kommission und der neuen Führung in China sollte ein neuer Anlauf für ein EU-China-Handelsabkommen unternommen werden.

Keine nationalen Alleingänge, Mehr-Säulen-Strategie auf EU-Ebene entwickeln. Deutschland und Frankreich müssen hier gemeinsam voran gehen und Vorschläge: EU-Strategie sollte mit den wichtigsten westlichen Partnern, allen voran den USA, abgestimmt sein.

  • Der ZVEI unterstützt die deutsche Bundesregierung dabei, eine zukunftsgerichtete Chinastrategie zu entwickeln. Diese muss die europäische Perspektive einbeziehen und eng mit wichtigen Partnern in Europa mit einbeziehen (vor allem Frankreich) und auch mit den USA besprochen sein. Die deutsche und europäische Politik sollte verschiedene Szenarien durchdenken, welche Politiken seitens China für die nächsten Jahre zu erwarten sind und was das für Deutschland und die EU bedeutet. Mit Zielkonflikten im Umgang mit China werden wir leben und pragmatische Lösungen finden müssen.

„Sing the same Song!“ auf allen Ebenen muss hier Leitlinie sein.

  • Strategische Ziele und Initiativen Chinas müssen stärker in den Blick genommen und aus globaler und geopolitischer Perspektive betrachtet werden. Das gilt im Besonderen für die Belt-and-Road-Initia-tive mit ihren vielen, kleinen Projekten in ganz Europa – und für die Shanghai Cooperation Organization, in der unter Federführung Chinas zahlreiche Länder mitwirken – eine Organisation ohne gemeinsame Wer- tegrundlage aber mit interessengetriebenen gemeinsamen Aktivitäten, die viele Staaten an China bindet. 
  • Konkurrenz zu multilateralen Organisationen vermeiden, Attraktivität ausbauen und like-minded Part-ner innerhalb der multilateralen Organisationen stärken. Insbesondere Einbeziehung Chinas in diese Organisationen zur Vermeidung von Abwanderung in eigene Organisationen, nach chinesisch geprägten Werten, unter Einbeziehung von (z. B. finanziell) von China abhängigen Ländern. Dies gilt z. B. neben der WTO, BRICS, u.v.m. auch für die internationalen Normungsorganisationen und -initiativen.

Selbstbewusste Elektroindustrie scheut nicht den Wettbewerb, fordert Level-Playing-Field und strikte Einhaltung der Reziprozität.

  • EU-Politik muss auf die Schaffung eines Level-Playing-Fields, gleichen, freien und fairen Marktzugang ausgerichtet sein und lösungsorientiert agieren. Es bedarf Plattformen für den Austausch mit China auf allen Ebenen: politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Der ZVEI unterstützt ausdrücklich die beiden aktuellen handels- und klimapolitischen Dialoge zwischen der EU-Kommission und China. Klima- und um- weltpolitische Vorhaben in China (mit Blick auf Chinas Ziel der CO2-Neutralität 2060) bewirken eine große Nachfrage nach europäischen Lösungen. Diese Chancen müssen wir nutzen. Kontakte und Reisen von Wirt- schaftsdelegationen nach China sollten nach einer Beendigung der chinesischen Corona-Restriktionen wie- der aufgenommen werden, um einer weiteren Polarisierung entgegenzuwirken.
  • Der EU-Binnenmarkt ist ein Asset. Zugang zum Binnenmarkt bietet Ländern wie China und seinen Industrien große wirtschaftliche Chancen. Deutsche und europäische Firmen als gefragte und zuverlässige Ge- schäftspartner wiederum sind Teil vieler internationaler Wertschöpfungsnetzwerke. Gerade in Zeiten von De- coupling und ökonomischen Unsicherheiten ist der EU-Binnenmarkt für chinesische Unternehmen (staatlich und privat) von großer Bedeutung für Wachstum und Wohlstand. Gerade daher ist die Forderung nach glei- chen Wettbewerbsbedingungen und einer stringenten Reziprozität essenziell.
  • Selbstbewusste Elektroindustrie scheut nicht den Wettbewerb, fordert Level-Playing-Field und strikte Einhaltung der Reziprozität, das gilt nicht nur im Verhältnis zu China, sondern generell, also auch bei Geschäften im Globalen Süden. Abkehr von Verteidigungsstrategie gegen China, hin zur Strategie der Stärkung unserer Industrie und Wirtschaft/Wettbewerbsfähigkeit.

Abkehr von Verteidigungsstrategie gegen China, hin zu einer Strategie der Stärkung unserer Industrie und internationalen Wettbewerbsfähigkeit.

  • Die Deutsche Bundesregierung und EU-Kommission müssen ihre Interessen stärker durchsetzen. Zum Schutz der EU-Interessen braucht es einen klaren regulatorischen Rahmen auf EU-Ebene, kein Flickwerk unterschiedlicher nationaler Ansätze. Anti-Coercion- und International Procurement Instrument sowie die Foreign Subsidies-Regelung sind wichtige EU-Werkzeuge, die bei Bedarf auch genutzt werden sollten. Das EU Investment Screening hat sich in zahlreichen Fällen bereits bewährt, indem es Transparenz für ausländische Investitionen in Europa schafft und den Mitgliedsstaaten mehr Klarheit über die Auswirkungen bietet. Bei der Bewertung ausländischer Investitionen in Europa sollte zwischen Greenfield- und Brownfield unterschieden werden – bei Übernahmen und Investitionen in kritische Infrastrukturen sollte eine Folgenabschätzung unternommen werden.
  • Es gilt das Primat der Politik: Die Bundesregierung und die EU-Kommission müssen stärker Verantwortung bei der Schaffung eines den Markt unterstützenden Regulierungsrahmens übernehmen. Regulierungen müssen so ausgestaltet sein, dass die Unternehmen die Anforderungen auch erfüllen können. Der Staat kann Transparenz über politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen schaffen und diese bewerten.

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