Termine
18.03.2022
Der Bundeswirtschafts- und Klimaminister hat am 11. Januar 2022 seine Eröffnungsbilanz Klimaschutz vorgelegt und gleichzeitig Sofortmaßnahmen angekündigt. Mit dem Fokus auf Elektrifizierung und Digitalisierung geht die zwingende Notwendigkeit für ein massiv ausgebautes, flexibles Stromsystem einher, um den steigenden Strombedarf decken zu können und vor allem um Stromangebot und Nachfrage besser zu synchronisieren.
Im Kern muss der Aus- und Umbaus der Netzinfrastruktur signifikant beschleunigt werden. Dazu zählen unter anderem Stromnetze, H2-Netze und Speicher als Rückgrat der Energiewende. Im Folgenden finden Sie dazu unsere 16 Vorschläge für eine „Sofortprogramm Netze“.
Wirksame Modernisierungsmaßnahmen in den Netzen müssen nun zügig in Angriff genommen werden. Dazu zählt unter anderem ein flächendeckender Einbau smarter Sensorik. Begleitet werden sollten diese Maßnahmen durch ein Monitoring des Digitalisierungsgrads durch einen sogenannten „Smart-Grid-Readiness-Indicator“. So können in den Netzen Prioritäten für eine bessere Netzauslastung gesetzt werden, um daran anschließend gezielt den Netzausbau voranzutreiben. Außerdem könnten darüber heutige Engpässe aufgezeigt und somit Schwerpunkte für Investitionen in Digitalisierung identifiziert und gefördert werden.
Der Einsatz von Leistungselektronik, Netzintelligenz, Demand-Side-Management und digitale Grid-Edge-Lösungen – letztlich die Digitalisierung der Netze – muss konsequent gefördert werden. Gleichzeitig müssen Stromnetze als kritische Infrastrukturen widerstandsfähiger gemacht werden, z. B. durch Wetterschutz, feuersichere Betriebsmittel oder unterirdische Verlegung. Zudem muss ihr Schutz vor Cyberattacken mitgedacht und erhöht werden.
Umlagefähige Digitalisierungsinvestitionen in den Verteilnetzen durch Anpassung der Anreizregulierungs-Verordnung (ARegV) ermöglichen, u. a. um eine stärkere Durchdringung der Netze mit Sensorik und Aktorik zu erreichen.
Die Maßnahmen müssen vorausschauend geplant sein und dadurch das Netz an der Übergabestelle zum Kunden und an weiteren Netzknoten auf die Energiewende vorbereiten, statt reaktiv "hinterhereilend" den Ausbau der Erneuerbaren und die Sektorkopplung auszubremsen. Hierbei wird der Fokus auf Erweiterungsinvestitionen als Ergänzung zu Ersatzinvestitionen empfohlen, um Engpässe zu wenigen Zeitpunkten im Jahr mittels flexibler Lösungen vermeiden zu können. Dadurch kann auch der klassische Leitungsausbau optimiert werden: Die vorhandenen Netzstränge müssen durch digitale Konzepte erweitert werden, um diese Verbrauchsspitzen ausgleichen zu können.
Eine elementare Voraussetzung für variable Netzentgelte und effiziente Netzintegration ist die „Beobachtbarkeit“ in den Stromnetzen. Dies gelingt nur durch mehr Sensorik und verbesserte Fernüberwachung sowie den Einbau intelligenter Messsysteme. Dies ist die Grundlage dafür, eine Reform der Netzentgelte voranzutreiben, die die Transparenz stärkt, die eine flexible Ein- und Ausspeisung in Abhängigkeit vom Netzzustand anstelle von Gleichmäßigkeit der Lastflüsse fördert, die die Transformation zur Klimaneutralität fördert und die Kosten der Integration der erneuerbaren Energien fair verteilt. Die Weichen für solche Investitionen müssen jetzt gestellt werden.
Um die Kosten des Netzbaus zu verteilen, muss nun mit den Vorbereitungen zur Umstellung der Netzentgelte von kWh auf kW begonnen werden. Künftig muss Leistung statt Energie bepreist werden. Dadurch wird ein Anreizsystem geschaffen, den Leistungsbezug zu minimieren.
Für den Zugriff von Netzbetreibern auf flexible Verbraucher (u. a. Ladesäulen, Wärmepumpen oder PV-Anlagen) über Sollwertvorgaben am Netzanschlusspunkt muss so schnell wie möglich eine regulatorische Grundlage geschaffen werden. Nur so können Netzbetreiber etwa in Engpassfällen den flexiblen Verbrauch in Haushalten verschieben, um den nicht-flexiblen Verbrauch aufrechterhalten zu können. Aktuell ist zum Beispiel das Laden von Elektroautos zur netzdienlichen Flexibilität nicht nutzbar.
Das Mittel der Flexibilisierung durch Digitalisierung ist notwendig, damit die Integration der Technologien zur durchgängigen, sektorübergreifenden Elektrifizierung funktionieren kann.
So kann - anstatt auf den Moment des maximalen Lastabruf - der Ausbau smart und bedarfsorientiert ausgelegt werden.
Der Rollout der Smart-Meter-Gateways (SMGW) muss jetzt beschleunigt werden. Entsprechende Vorschläge für die Gateway-Standardisierung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz und des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik liegen bereits vor. Darin sind u. a. die Absenkung der Pflichteinbauschwelle für SMGW für Einheiten mit einem Strombedarf von mindestens 4.000 kWh pro Jahr, die Festlegung des 90-Prozent-Einbauziels auf 2025, die Freigabe für von EEG-Anlagen – mindestens für Anlagen unter 25 kW – in der Markterklärung, die rasche Verabschiedung der Technischen Richtlinie 5 (Interoperabilitätsanforderungen an Systemeinrichtungen zur Nutzung von SMGW) und die Implementierung der Prüfungsverfahren für Systemeinheiten enthalten.
Als Zielbild für nachhaltige Netzintegration muss der digitale Netzanschluss definiert werden – als Kombination aus intelligentem Messsystem, bestehend aus SMGW und moderner Messeinheit, und aktiver Steuerung über ein Home-Energy-Managementsystemen (HEMS), Lademanagementsystemen oder entsprechenden Systemeinheiten. Erst das gibt allen Markteilnehmern eine planbare Grundlage, u. a. für Investitionen. Die Standardisierung eines Betriebskonzepts mit Sollwertvorgaben am stromseitigen Netzanschlusspunkt eines Gebäudes oder einer Liegenschaft muss dabei interoperabel gestaltet und gefördert werden.
KFW-geförderte, steuerbare Wallboxen müssen über eine sichere, digitale, bidirektionale, kabellose oder kabelgebundene Kommunikationsschnittstelle zur Fernsteuerung verfügen und über gängige, standardisierte Kommunikationsprotokolle angesteuert werden können (VDE AR E 2122-1000). Die Ansteuerung erfolgt dabei entweder direkt über ein SMGW am Netzanschlusspunkt oder indirekt über ein lokales Energiemanagementsystem. Das ist die Basis, um zukünftig auf netzseitige Vorgaben und Fahrpläne reagieren zu können. Ist ein lokales Energiemanagementsystem vorhanden, übernimmt dieses die Aufgabe der liegenschaftsdienlichen Optimierung im Rahmen der über die SMGW-Infrastruktur kommunizierten Bereich (Leistungshüllkurven) . Vor diesem Hintergrund wäre es sinnvoll, wenn bereits beim Einbau der ersten steuerbaren Erzeugungs- oder Verbrauchseinrichtung das Gebäude vom gesetzlichen Messstellenbetreiber mit einem intelligenten Messsystem am Netzanschlusspunkt ausgestattet wird.
Der Aufbau einer bidirektionaler Ladeinfrastruktur bietet ein erhebliches Flexibilitätspotential und kann einen positiven Beitrag zur Energiewende leisten. Die Umsetzung muss auf Basis von Standards erfolgen, die europaweit – besser weltweit – eine interoperable und sichere Grundlage für alle Marktbeteiligten bieten. Diese Basis fehlt bis heute, hier besteht also dringender Handlungsbedarf. Parallel zur Entwicklung einer solchen Technik müssen rechtliche Fragen geklärt und finanzielle Anreize geschaffen werden, um das Entladen der Fahrzeugbatterie attraktiv und rechtssicher für den Endkunden zu gestalten.
Die Investitionen der Verteilnetzbetreiber in strukturelle Vorbereitungen am digitalen Netzanschluss müssen umlagefähig gestalten werden. Darunter fallen u. a. eine proaktive Erfassung von Zustandsdaten, entsprechende Steuersysteme oder Ertüchtigung der Hausanschlüsse.
Die verlässliche Stromversorgung muss sichergestellt werden. Dafür muss generell der Ausbau von Speicherkapazitäten sowie wasserstofffähigen Gaswerken deutlich beschleunigt werden.
Perspektivisch müssen Gas- in Wasserstoffnetze umgewandelt sowie Batterie-, Wärme-, Gas- und Wasserstoff-Speicher großtechnisch ausgebaut werden. Dies muss mit verlässlichen Rahmenbedingungen für Investitionen einhergehen - bspw. durch eine Umlagebefreiung für Speicher (Batterie, Wärme, Gas/ H2).
Der konsequente Ausbau des H2-Pipeline-Netzes muss nun zügig starten, um den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft nicht auszubremsen. Dabei muss die Umwidmung des Regulierungsrahmens von Gasnetzen miteinbezogen werden.