Meinungsbeitrag

Dr. Reinhard Zinkann, Geschäftsführender Gesellschafter, Miele

16.08.2022

Nachhaltiges Handeln braucht Spielräume

In ihrem nationalen Programm für nachhaltigen Konsum betont die Bundesregierung, dass der private Konsum für das Erreichen der Nachhaltigkeits- und Klimaschutzziele eine zentrale Rolle spielt – und dies natürlich völlig zu Recht. 650 Millionen Tonnen CO2 wurden 2018 allein für den Konsum der privaten Haushalte in Deutschland eingesetzt, so die Berechnungen des Umweltbundesamtes.

Der damit verbundenen Verantwortung ist sich indes nicht nur eine stetig wachsende Zahl von Verbraucherinnen und Verbrauchern bewusst, sondern auch die Industrie. Immer mehr Unternehmen arbeiten intensiv daran, ihre Produktions- und Verwaltungsstandorte CO2-neutral zu betreiben, den Anteil recyclingfähiger Materialien und Sekundärrohstoffe in den Produkten zu erhöhen und innovative, nachhaltige Geschäftsmodelle zu entwickeln. Zugleich ist die Nachhaltigkeit eines Produktes ein wichtiger Wettbewerbsfaktor geworden. Die Menschen darin zu unterstützen, ihren persönlichen CO2-Footprint zu reduzieren, bringt Marktanteile oder kann sogar ganz neue Marktchancen erschließen.

Neben Eigenverantwortung und Marktwirtschaft ist natürlich auch der Gesetzgeber ein maßgeblicher und unverzichtbarer Treiber in Sachen Klimaschutz. Allerdings müssen sich die ökologischen Anforderungen solcher Gesetze auch mit den ökonomischen Gegebenheiten der Unternehmen in Einklang bringen lassen. Die positive Botschaft ist: Für uns ist das in weiten Teilen vorstellbar und machbar, sofern die Rahmenbedingungen wirtschaftlich verkraftbar und in der Umsetzung praktikabel sind. Wichtig sind dabei drei Aspekte:

Erstens: Durch Ökodesign-Anforderungen die in Bezug auf Nachhaltigkeit die „Schlechten“ vom Markt zu verdrängen und die „Mittelmäßigen“ dazu zu bringen, besser zu werden, ist sinnvoll. Es muss aber auch weiterhin genügend Spielraum für die „Guten“ geben, sich im Wettbewerb differenzieren zu können. 

Zweitens: Gesetzliche Anforderungen an Konsumgüter haben erheblichen Einfluss auf den Wettbewerb – was auch so gewollt ist. Wettbewerb kann aber nur funktionieren, wenn er fair ist – auch in Sachen Nachhaltigkeit. Wir brauchen deshalb eine starke und funktionierende Marktüberwachung – nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis. 

Drittens: Regulierung braucht klare und rechtssichere Kriterien. Jenseits von gesetzlichen Anforderungen muss Spielraum für fairen und sinnvollen Wettbewerb um die besten Lösungen bleiben. Die Wirkung von gesetzlichen Anforderungen steht und fällt mit der Qualität der Kriterien. Wir müssen uns hier auf das beschränken, was wirklich den Unterschied macht.

Nehmen wir hier als Beispiel die Pflicht zur Angabe der Reparierfreundlichkeit, die in Frankreich bereits Gesetz ist. Auch in Deutschland gibt es Überlegungen, einen solchen „Repair-Index“ einzuführen, worüber durchaus zu diskutieren lohnt. Jedoch zeigen die ersten Erfahrungen in Frankreich, dass die Kriterien noch nicht aussagekräftig und hinreichend präzise definiert sind – und dadurch eine Menge Spielraum für Interpretation lassen. Außerdem wird dort – zumindest momentan – die Einhaltung kaum überprüft. Deshalb sind zumindest Zweifel angebracht, ob die Klassifizierung wirklich einen Mehrwert für den Verbraucher bietet. 

Hinzu kommt: Die Komponenten von heute sind die Ersatzteile von morgen. Und erfahrungsgemäß verschärfen sich Ökodesign-Anforderungen regelmäßig. Oftmals müssen Ersatzteile viele Jahre vorgehalten werden. Wenn sich aber in einen langen Zeitraum die Regulierungen verschärfen, droht die Gefahr, dass die heute produzierten Teile irgendwann überhaupt nicht mehr bei Reparaturen verwendet werden dürfen – also entsorgt werden müssen.

Ist das nachhaltig? Ist das kundenfreundlich? Ich denke nicht!

Klar bleibt: Ohne das Prinzip Nachhaltigkeit in all unseren Geschäftsprozessen fest zu verankern, wird es auf längere Sicht keinen Geschäftserfolg mehr geben können – von verantwortungsvollem Unternehmertum ganz zu schweigen. Wir verstehen auch, dass ohne staatliche Eingriffe, viele Nachhaltigkeitsziele nicht erreicht werden können. Dafür brauchen wir aber, wie beschrieben, einen konsistenten, praktikablen verlässlichen und durchsetzbaren Rechtsrahmen, der den ökologisch ambitionierten und rechtstreuen Anbietern keine Nachteile bringt, sondern diese mit Nachdruck unterstützt.

 

Dr. Reinhard Zinkann
Vorsitzender des ZVEI Fachverband Elektro-Haushalt-Großgeräte
Geschäftsführender Gesellschafter, Miele