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Schwerpunkt
02.05.2024
Die Zukunft ist elektrisch. Klimaneutralität auch. Deshalb wird die Anzahl an Wärmepumpen, Elektroautos und Heimspeichern (Solarbatterien) in Deutschland in den kommenden Jahren stark wachsen. Damit einher geht eine weit stärkere Belastung der Verteilnetze im Land – eine, die die Stromnetze auch mit dem parallel nötigen Ausbau vor Herausforderungen stellt. Jedoch haben diese neuen Verbrauchstechnologien ein inhärentes Flexibilisierungspotenzial, können also den Strombezug in Zeiten verschieben, in denen beispielsweise viel Strom aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung steht oder Netze nicht ausgelastet sind.
Vor diesem Hintergrund zeigt die aktuelle Kurzstudie „Mehrwert dezentraler Flexibilität“, die Neon Neue Energieökonomik im Auftrag des ZVEI durchgeführt hat, welche Kosten im Stromsystem durch eine solche systemdienliche Flexibilisierung eingespart werden können, ohne dass Komforteinbußen für die privaten Nutzer dieser Anlagen auftreten. Oder anderes gesagt: Welches Effizienz- und Entlastungspotenzial im systemdienlichen Betrieb von flexiblen Verbrauchern wie Wärmepumpen, Heimspeichern und E-Autos im Verteilnetz steckt.
Die Analysen basieren auf der stundengenauen Optimierung dieser Anlagen für einen typischen Haushalt. Außerdem werden Ansätze zur Regulierung und zum Marktdesign diskutiert, die Anreize für eine solche Flexibilisierung schaffen.
Das Ergebnis ist mehr als ermutigend: Flexible Verbraucher können einen wichtigen Beitrag für Versorgungssicherheit und Kostenreduktion sowohl für die privaten Verbraucher als auch für das Gesamtsystem leisten, und das bei konservativen Annahmen hinsichtlich der Anlagenkonfiguration. Die Sorge, durch solche dezentralen flexiblen Verbraucher neue Lastspitzen zu produzieren, ist in naher Zukunft vielfach unbegründet.
Die Kurzstudie zeigt, dass abhängig vom Anwendungsfall die Stromsystemkosten um mindestens 15 Prozent (bei Wärmepumpen im Halb-Flex-Tarif, also mit dynamischem Stromtarif ) und um bis zu 70 Prozent (Elektroauto im Voll-Flex-Tarif, also mit dynamischem Stromtarif und variablen Netzentgelte) ohne Komforteinbußen für den privaten Nutzer gesenkt werden können. Elektroautos sind fast dreimal so flexibel wie Wärmepumpen. Weil eine Wärmepumpe jedoch in der Regel deutlich mehr Strom verbraucht als ein Elektroauto, ist die absolute Kostenersparnis bei dieser höher.
Unbedingte Voraussetzung, um diese Ersparnis zu realisieren, ist die Möglichkeit, den Strombezug in Zeiten zu verschieben, in denen die Strompreise niedrig und die Netze frei sind.
Bisher spielt die Einbindung von Nachfrageflexibilitäten – ob in der Industrie oder in privaten Haushalten – und ihr Beitrag zu einer sicheren Stromversorgung und zur Systemsicherheit eine eher untergeordnete Rolle, wenn es um Struktur des künftigen Stromsystems geht. Wie die Studie aber nun zeigt, steckt hierin großes Potenzial für einen sicheren und kosteneffizienten Betrieb, gerade mit Blick auf die großen technischen und finanziellen Herausforderungen. Dieses Potenzial darf nicht verschenkt werden. Denn gleichzeitig steckt hierin auch ein großer Beitrag zur Akzeptanz der Energiewende in der breiten Bevölkerung: Verbraucherinnen und Verbraucher erzielen bei flexibler Nutzung von Wärmepumpen, Elektroautos oder Heimspeichern individuelle Einsparungen aber realisieren auch Kostendämpfungspotenziale für das Stromsystem insgesamt und damit für alle Verbraucherinnen und Verbraucher.
Der ZVEI fordert daher, die Einbindung von Nachfrageflexibilitäten voranzutreiben und damit die Kosten des Stromsystems zu reduzieren – hochgerechnet sprechen wir allein bei Elektroautos von mindestens 180 Millionen Euro pro Jahr. Das Potenzial ist bewiesen. Die technischen Voraussetzungen im Netz für variable Tarife und Netzentgelte müssen unter anderem durch den Rollout intelligenter Messsysteme schnellstmöglich geschaffen werden. Zudem müssen mindestens die Knappheitssignale des Strommarkts für einen effizienten Einsatz von Flexibilitätsoptionen genutzt werden, da solche an aktuellen Großhandelspreisen orientierte Tarife eine Anpassung des Verbrauchsverhalten fördern und somit eine entlastende Wirkung auf die Verteilnetze haben können. Darüber hinaus gilt es, variable Netzentgelte zu ermöglichen und die Netzentgeltsystematik weiterzuentwickeln.
Mark Becker-von Bredow
Bereichsleiter Elektrifizierung & Klima
ZVEI-Analyse zur Kurzstudie "Mehrwert dezentraler Flexibilität"