Meet the Expert

Sebastian Treptow, Bereichsleiter Gebäude

10.08.2023

Drei Fragen an Sebastian Treptow

Sebastian Treptow leitet im ZVEI den Bereich Gebäude sowie die Plattform Gebäude. Hier bündelt er gemeinsam mit seinem Team die Interessen aller Gewerke, die sich in einem Haus wiederfinden, und adressiert sie an die politischen und gesellschaftlichen Stakeholder. Durch seine Arbeit bringt er die Vorteile von Elektrifizierung, Digitalisierung und Automation im Gebäudesektor in die politische Diskussion ein. Gleichzeitig zeigt er, wie man deren Potenziale voll nutzen kann.

Der Gebäudesektor – oder vielmehr die Art, wie wir unsere Gebäude künftig heizen werden – stand zuletzt stark im Fokus der politischen und gesellschaftlichen Diskussion. Wie bewerten Sie den aktuellen Stand ums sogenannte „Heizungsgesetz“?

Klar ist eigentlich nur eines: Das weiterhin Vieles ganz schön unklar ist. Die Politik hat es leider versäumt, frühzeitig Planungs- und Investitionssicherheit zu schaffen – für die Hersteller sowie für Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer. Dabei geht es nicht nur um die verzögerte Abstimmung im Bundestag – das Gebäudeenergiegesetz wird dennoch Anfang 2024 in Kraft treten können. Es geht vielmehr um die Aufweichung der Vorgaben und um die Kopplung an die kommunale Wärmeplanung. Diese ist zwar richtig, hätte jedoch schon vor zehn Jahren angegangen werden müssen. So hält der Schwebezustand für viele Eigentümerinnen und Eigentümer sowie Investoren an: 

Manche Kommunen haben schon eine Wärmeplanung, andere haben noch gar nicht angefangen. Daraus ergeben sich unterschiedliche Anforderungen. Das ist fatal für die Planungssicherheit und für die Akzeptanz, nicht nur bei den Endkunden. Auch die Handwerker brauchen Orientierung Und natürlich brauchen auch die Hersteller eine klare Perspektive. Die Unsicherheit und die ständigen Richtungswechsel schaden den Unternehmen, die große Investitionen getätigt haben und bei den bisherigen Wärmepumpengipfeln gegenüber der Politik zugesagt haben: Die Industrie schafft die Voraussetzungen, um den von Bundeswirtschaftsminister Habeck anvisierten Einbau von sechs Millionen Wärmepumpen bis 2030 zu realisieren. Das entschärfte GEG bremst dieses Engagement leider aus. Mit Blick auf die nötige Dekarbonisierung im Gebäudesektor ist das fatal. 

Wir alle brauchen Klarheit. Das werden wir auf den anstehenden Wärmepumpengipfel im September noch einmal deutlich gegenüber den verantwortlichen Ministerien adressieren.

Nach dem GEG ist vor dem GEG: Auf europäischer Ebene wird parallel an der Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie gefeilt. Worauf ist hier zu achten?

Die Dekarbonisierung des Gebäudesektors betrifft die breite Bevölkerung und muss daher genauso sozialverträglich wie ambitioniert umgesetzt werden, um die Klimaschutzziele zu erreichen und Schäden in Folge des Klimawandels zu minimieren. Entsprechende Technologien mit enormem Einsparpotenzial sind längst vorhanden und müssen endlich flächendeckend zum Einsatz kommen. Dabei muss der effiziente Einsatz von digitaler und elektrischer technischer Gebäudeausrüstung ganzheitlich gedacht werden. Nur so lässt sich ein klimaneutraler Gebäudebestand erreichen. Und erst wenn der Gebäudezustand, Verbräuche und Einsparpotenziale für die Nutzerin und den Nutzer transparent und nachvollziehbar sind, wird es ihrerseits zu einem bewusstem Gegensteuern kommen können. 

Das Zusammenspiel verschiedener Technologien im Kontext der Elektrifizierung und Digitalisierung im Gebäudesektor ist dabei der Schlüssel. Daher ist eine zeitnahe Finalisierung der europäischen Gebäudeenergieeffizienzrichtline (EPBD) ein wichtiger Schritt im Rahmen der Renovierungswelle. Für Deutschland bedeutet dies, dass eine umfassende Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes, die über die Regelungen zu Heizlösungen hinausgeht, notwendig wird. Der ZVEI ruft die Bundesregierung regelmäßig dazu auf, hierbei ambitioniert vorzugehen und sich auf europäischer Ebene für ein möglichst hohes Niveau einzusetzen. Außerdem muss die Umsetzung der EPBD in nationales Recht schnell erfolgen. 

Welche Rolle spielt der Gebäudesektor bei der Energiewende und welchen Beitrag leistet die Elektro- und Digitalindustrie?

Um die Klimaziele zu erreichen, sind Gebäude ein wichtiger Schlüssel: Sie verbrauchen derzeit rund 35 Prozent der gesamtdeutschen Endenergie und ihnen ist nahezu ein Drittel der energiebedingten CO2-Emissionen hierzulande zuzurechnen. Gebäude sind außerdem als elementarer Bestandteil des dezentralen Energiesystems der Zukunft zu sehen, denn sie werden perspektivisch nicht nur Verbraucher sein, sondern auch zu Erzeugern werden. Mit einem elektrifizierten und digitalisierten – und damit klimaneutralen – Gebäudebestand in Deutschland und Europa können wir die Klimaziele erreichen, Wohnen nachhaltig preiswerter gestalten und Netz- bzw. Versorgungssicherheit gewährleisten. Dafür brauchen wir eine aktive Gebäudewende. Und diese Gebäudewende muss aus Sicht des ZVEI jetzt beginnen.

Durch das clevere Zusammenspiel von Elektrifizierung, Digitalisierung und Automatisierung im Gebäudesektor können wir bis zu 65 Prozent Primärenergie einsparen. Wenn wir elektrische Energie in Gebäuden und Quartieren clever erzeugen, nutzen, speichern und verteilen, dann reduzieren wir nicht nur dauerhaft die Betriebskosten, sondern tragen maßgeblich dazu bei, die Klimaziele zu erreichen. Das bedeutet aber auch, dass die elektrische Infrastruktur bei älteren Gebäuden ertüchtigt werden muss. Der Gebäudebestand ist in großen Teilen sanierungsbedürftig: Mehr als 60 Prozent der Gebäude sind älter als 40 Jahre, ihre Elektroinfrastruktur ist oftmals nicht Energiewende-fähig. Erst wenn diese ertüchtigt wird, können die Potenziale von dezentraler Energieerzeugung, Speicherung und Nutzung voll ausgeschöpft werden. 

 

Sebastian Treptow
Bereichsleiter Gebäude