Termine
01.09.2025
Hohe Abhängigkeiten von einzelnen Ländern sowie wachsende Instabilität globaler Lieferketten infolge von Handelsstreitigkeiten und geopolitischen Rivalitäten stellen deutsche und europäische Unternehmen vor große Herausforderungen. Der sichere Zugang zu strategischen Rohstoffen und Vorprodukten wird zunehmend zu einem entscheidenden Faktor im internationalen Wettbewerb. Eine aktuelle Umfrage der Germany Trade & Invest (GTAI) unter ZVEI-Mitgliedsunternehmen beleuchtet die Beschaffungssituation bei kritischen Rohstoffen und verarbeiteten Produkten und zeigt, wo Handlungsbedarf besteht.
Über 70 Prozent der befragten Unternehmen der Elektro- und Digitalindustrie beziehen ihre kritischen Rohstoffe hauptsächlich aus China. Die indirekte Abhängigkeit könnte noch deutlich höher ausfallen, wenn auch nachgelagerte Zulieferer mit einbezogen werden. Diese Abhängigkeiten können zu Engpässen entlang der gesamten Wertschöpfungskette führen.
In den letzten vergangenen zwölf Monaten erlebten rund zwei Drittel der Unternehmen Preisschwankungen und Lieferverzögerungen in ihren Lieferketten. Etwa die Hälfte nannte politische Unsicherheiten als derzeitige Herausforderung, während knapp 40 Prozent mit Exportkontrollen konfrontiert waren.
Von nahezu allen Unternehmen wird die Diversifizierung der eigenen Lieferketten als wichtig oder sehr wichtig bewertet. Über 80 Prozent der befragten Unternehmen haben bereits neue Lieferanten gesucht, um sich resilienter aufzustellen. Weitere Maßnahmen umfassen eine Erhöhung der Lagerbestände, die geografische Nähe zu ihren Lieferanten und die Verwendung alternativer Materialien. Drei Viertel der befragten Unternehmen sind an einem Einkaufsformat für kritische Rohstoffe im Rahmen eines Markterschließungsprogramms interessiert, um Zugang zu neuen Lieferanten zu erhalten.
Eine substanztielle Verringerung der Abhängigkeiten in der gesamten Wertschöpfungskette von kritischen Produkten wird nur durch eine ganzheitliche Rohstoffstrategie im europäischen Kontext gelingen. Dazu gehört ein konsequenter Aufbau der europäischen Kreislaufwirtschaft, die Stärkung der heimischen Produktion und Weiterverarbeitung, der Ausbau von Rohstoffkooperationen sowie die Förderung von Forschung und Entwicklung, insbesondere im Bereich Ersatz- und Sekundärrohstoffe.
Der Aufbau einer Kreislaufwirtschaft für kritische Rohstoffe befindet sich noch in der Anfangsphase. Nur jedes sechste befragte Unternehmen der Elektro- und Digitalindustrie bezieht aktuell kritische Rohstoffe aus Recycling und Wiederverwendung. Dieses ungenutzte Potenzial muss durch entsprechende Rahmenbedingungen zukünftig besser ausgeschöpft werden. Dazu gehören die Sammlung aller Elektro- und Elektronikaltgeräte über die vorgesehenen Sammelstrukturen und die Sicherstellung eines hochwertigen Recyclings gemäß Standards. Ebenso wichtig für ein effizienteres Recycling sind der Aufbau eines funktionierenden europäischen Sekundärrohstoffmarktes und ein unkompliziertes Verbringen von Abfällen über Landesgrenzen innerhalb der EU. Der für das vierte Quartal 2026 erwartete Circular Economy Act (CEA) ist eine Chance, diese Rahmenbedingungen sicherzustellen. Dabei darf jedoch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrien nicht negativ beeinflusst werden.
Mit dem Critical Raw Materials Act (CRMA) hat die EU bereits die Grundlage für eine ganzheitliche Rohstoffstrategie geschaffen. Mit der Förderung strategischer Projekte in den Bereichen Gewinnung, Verarbeitung, Recycling und Substitution von kritischen Rohstoffen, dem Ausbau bestehender Rohstoffpartnerschaften sowie dem Aufbau eines EU-Zentrums für die gemeinsame Beschaffung und Verwaltung strategischer Lagerbestände sind erste wichtige Schritte unternommen. Gleichzeitig ist eine transparente und bürokratiearme Umsetzung des CRMA notwendig. Bestehende Richtlinien, wie die Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (WEEE), müssen bei der Umsetzung des CRMA berücksichtigt werden, um Doppelregulierungen und Inkonsistenzen zu vermeiden.
Der Zugang zu strategischen Rohstoffen und Vorprodukten ist entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung der aktuellen Transformationsprozesse. Die Elektro- und Digitalindustrie ist dabei ein zentraler Treiber – von der Energie-, Wärme- und Mobilitätswende bis hin zur Digitalisierung industrieller Prozesse. Nur mit einem sicheren Rohstoffzugang kann Europa seine Wettbewerbsfähigkeit bei Schlüsseltechnologien langfristig sichern und sich in den Zukunftsmärkten behaupten. Deshalb muss Europa jetzt handeln.