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26.05.2025
Deutschland braucht eine Effizienzwende. Die gute Nachricht: Die meisten Technologien dafür stehen bereits zur Verfügung. Drei Beispiele.
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Deutschland braucht eine Effizienzwende. Die gute Nachricht: Die meisten Technologien dafür stehen bereits zur Verfügung. Drei Beispiele.
Die Zukunft ist elektrisch. Und das aus gutem Grund – schließlich lassen sich mit der Kombination aus Elektrifizierung und Digitalisierung enorme Effizienzpotenziale erschließen. Viele Bausteine für die effiziente Gesellschaft der Zukunft sind bereits vorhanden und warten nur auf ihren Einsatz. Zum Beispiel bei den elektrischen Antrieben: 2009 wurden Effizienzklassen eingeführt, die von IE1 (Standard-Wirkungsgrad) über IE2 (Hoher Wirkungsgrad), IE3 (Premium-Wirkungsgrad) und IE4 (Super-Premium-Wirkungsgrad) bis hin zu IE5 (Ultra-Premium-Wirkungsgrad) reichen. Ein IE3-Motor mit 75 Kilowatt Leistung ist mit einem Wirkungsgrad von 95,7 Prozent beispielsweise 1,7 Prozent effizienter als ein leistungsgleicher IE2-Motor.
„Am weitesten verbreitet sind derzeit Antriebe der Effizienzklasse IE3, es gibt aber auch schon viele Modelle mit IE4 und auch erste IE5-Motoren“, berichtet Dr. Hans Krattenmacher, Geschäftsführer Innovation Mechatronik bei SEW-Eurodrive. „Wie hoch die Energieeinsparung in der Praxis ausfällt, hängt neben dem Antrieb auch von der Anwendung ab. Pumpen und Lüfter laufen meist im S1-Betrieb, also im Dauerlauf. Hier machen sich die geringeren Verluste des Motors am stärksten bemerkbar. Bei S3-Applikationen – also im Start-Stopp-Betrieb – ist der Effekt nicht so groß.“ Aber auch hier lässt sich der Wirkungsgrad spürbar steigern, wenn ein energieeffizienter Antrieb mit einem Frequenzumrichter kombiniert wird.
Das Interesse der Kunden an energieeffizienten Lösungen steigt. „Es gibt Kunden, die Antriebslösungen mit einem Wirkungsgrad von mindestens IE4 und immer häufiger sogar IE5 verlangen“, berichtet Krattenmacher. „Es ist aber zu wenig, ausschließlich auf den Antrieb zu schauen – denn am Ende muss man die Energie für die gesamte Applikation intelligent managen. Dort liegt ein viel größeres Potenzial für mehr Energieeffizienz, weshalb wir uns schon seit vielen Jahren mit Energie- und Leistungsmanagement beschäftigen.“
Geschaftsführer Innovation Mechatronik bei SEW-Eurodrive
Durch das kurzfristige Zwischenspeichern von überschüssiger Energie in der Applikation kann nicht nur der Energieverbrauch um bis zu 30 Prozent zurückgehen. Zugleich lassen sich auch Spannungsschwankungen und Leistungsspitzen, die über das Stromnetz hereinkommen, ausgleichen und das Netz wird effizienter genutzt. „Wir hatten schon Applikationen mit einem Spitzenleistungsbedarf von 60 Kilowatt, die dank des Leistungsmanagements später weniger als zehn Kilowatt benötigt haben“, so Krattenmacher. „Das spart dramatisch Kosten für den Stromanschluss. Und es macht manches Projekt erst möglich, denn in vielen Gewerbegebieten steht für Neubauten nur noch eine sehr begrenzte Anschlussleistung zur Verfügung.
Energieeffizienz ist aber nur ein Teil der Effizienzwende in der deutschen Industrie – auch beim Rohstoffverbrauch tut sich in den ZVEI-Mitgliedsunternehmen viel. So hat der Hausgeräte-Hersteller Miele auf der IFA 2024 das Konzept für einen zirkulären Akku-Staubsauger vorgestellt. Der „Vooper“ – zusammengesetzt aus „Vac“ (Vacuum cleaner) und „Loop“ (Kreislauf) – ist modular aufgebaut und komplett zerlegbar, sodass die wertvollen Materialien am Ende seines Lebenszyklus nahezu komplett in den Materialkreislauf zurückgeführt werden können. „Es ist nicht damit getan, einfach nur die Materialien zu verändern“, erklärt Andreas Enslin, Vice President Design bei Miele. „So ein Produkt muss komplett neu und anders als bisher konstruiert und gefertigt werden, damit die verwendeten Materialien am Ende tatsächlich wieder in den Kreislauf zurückkehren können.“
Das zeigt sich beispielhaft beim Einsatz von Kunststoff im Vooper: In herkömmlichen Staubsaugern sind oft viele unterschiedliche Sorten verarbeitet und zum Teil in unlösbaren Verbindungen miteinander verklebt. Das geschieht unter anderem aus Gründen der Produktsicherheit und Dichtigkeit – macht aber eine vollständige Wiedergewinnung und damit das Recycling unmöglich. „Wir haben es geschafft, mit nur noch circa 15 Prozent der bisher eingesetzten Kunststoffarten auszukommen, die sich zudem sortenrein trennen lassen. Und das ohne negative Konsequenzen für Qualität oder Design“, berichtet Enslin. Und so besteht der Vooper nicht aus Kunststoffmischungen, sondern aus Monomaterial. Zudem wurden statt Verklebungen Steck- und Schraubverbindungen eingesetzt. Das verwendete Material stammt aus Recyclingverfahren oder ist als Material selbst komplett wiederverwendbar – so zum Beispiel das Aluminium des Saugrohrs. Auch hier war Miele konsequent und hat dafür CO₂-neutrales „Green Aluminium“ verwendet.
Vice President Design bei Miele
Aus Sicht des Unternehmens bietet die Zirkularität sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Vorteile. „Die Grundmaterialien für Metalle und Kunststoffe wie Eisenerze, Kohle und Erdöl wachsen nicht nach – und gleichzeitig streben wir Wirtschaftswachstum an“, gibt Enslin zu bedenken. „Wenn wir also nichts tun, kommt irgendwann unweigerlich der Punkt, an dem diese Ressourcen sehr viel knapper als heute sein werden oder ganz verbraucht sind. Das wird auch Auswirkungen auf unser unternehmerisches Handeln haben.“ Knappe Ressourcen werden zu deutlich höheren Preisen führen. Das heißt, die Materialpreise steigen und die Verfügbarkeit am Markt sinkt. Enslin: „Gut, wenn wir dann genug Aluminium für neue Produkte zur Verfügung haben, das bisher vielleicht ein Staubsaugerrohr am Vooper war.“
Große Effizienzpotenziale schlummern auch im Gesundheitswesen, wo sich durch die Früherkennung von Krankheiten nicht nur menschliches Leid vermeiden lässt, sondern auch Kosten gespart werden können – etwa durch die Früherkennung von Lungenkrebs: „Besonders für Risikogruppen wie Raucher oder Personen mit einer familiären Vorbelastung bieten Computertomographie-Aufnahmen der Lunge eine einfache und kostengünstige Möglichkeit zur regelmäßigen Kontrolle“, sagt Prof. Dr. med. Mathias Goyen, Global Chief Medical Officer Imaging und Advanced Visualization Solutions bei GE HealthCare. „Zudem können nicht nur Krebs, sondern auch andere Probleme wie die Chronisch obstruktive Lungenerkrankung oder Infektionen erkannt werden, was die allgemeine Gesundheitsvorsorge unterstützt.“
Neue Technologien wie die Niedrigdosis-Computertomographie (LDCT) ermöglichen eine detaillierte Bildgebung bei minimaler Strahlenbelastung, um verdächtige Lungenprozesse frühzeitig zu erkennen und zu bewerten. Darum könnte ein Lungenkrebs-Screening in Zukunft ähnlich normal werden wie das Mammographie-Screening bei Brustkrebs. „In Deutschland zeigt die HANSE-Studie, dass ein strukturiertes Screening-Programm mit Niedrigdosis-CT erfolgreich in das Gesundheitssystem integriert werden kann, insbesondere für Hochrisikogruppen wie langjährige Raucher“, so Goyen.
Das hätte messbare Folgen für das Gesundheitswesen: Früherkennung senkt die Kosten für aufwendige Therapien und stationäre Behandlungen, die bei fortgeschrittenem Krebs oft notwendig sind. „Eine Analyse aus den USA zeigt, dass systematisches Screening mit Niedrigdosis-CT langfristig kosteneffizient ist, da es teure Behandlungen durch frühzeitige Interventionen vermeidet“, erklärt Goyen. „Zudem kann die Reduzierung von Todesfällen und Folgeerkrankungen durch ein Screening die volkswirtschaftliche Belastung mindern, etwa durch weniger Krankheitsausfälle.“
Text Christian Buck | Foto shutterstock.com / metamorworks | Illustrationen Barbara Geising
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 2025 am 24. März 2025 erschienen.