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10.08.2023
Wenn die Frage der Vereinbarkeit von wirtschaftlichem Wachstum einerseits und Klima- bzw. Umweltschutz andererseits aufkommt, bilden sich schnell zwei Lager. Von links wird für gewöhnlich behauptet, da unser Planet nur über endliche Ressourcen verfüge, könne es auf Dauer auch kein unbegrenztes Wachstum geben. Von rechts heißt es dann regelmäßig, der Wohlstand sei in Gefahr, wenn man es mit den Umweltauflagen übertreibe.
In beiden Fällen wird dabei meist grundlegend missverstanden, was Wirtschaftswachstum eigentlich bedeutet – und was vor allem nicht. Die Vorstellung jedenfalls, hier gehe es darum, auf die immer gleiche Art und Weise mit den immer gleichen Ressourcen immer mehr von den immer gleichen Dingen herzustellen, ist schlichtweg falsch.
Nehmen wir die USA, die nach China die zweitmeisten Treibhausgase weltweit verursachen. Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) der größten Volkswirtschaft der Welt liegt heute rund ein Drittel höher als noch 2007, dem Jahr vor der globalen Finanzkrise. Aber die Zusammensetzung der hergestellten Güter und Dienstleistungen ist aktuell eine andere als damals. Die Kohlegewinnung etwa hat sich annähernd halbiert. Und obwohl inzwischen weniger Autos gebaut werden als 2007, weist die amerikanische Statistik heute einen höheren realen Output für den Sektor aus, weil die Modelle jetzt beispielsweise über Ausstattungen verfügen, die zu erheblichen Qualitätsverbesserungen geführt haben, für die eine entsprechende Zahlungsbereitschaft der Kunden da ist.
Genauso wenig, wie die Zahl des BIP-Wachstums etwas darüber aussagt, was produziert wurde, gibt sie Auskunft, wie produziert wurde, also mit welchen Technologien die Wirtschaftsleistung erbracht worden ist. Einer Kilowattstunde Strom sieht man es letztlich nicht an, ob sie nun von einem Kohlekraftwerk oder einem Windrad generiert wurde.
Die Industrielle Revolution nahm bekanntlich in Großbritannien ihren Ausgang. Zwischen 1750 und Ende der 1970er Jahre haben sich die auf fossile Energieträger rückführbaren CO2-Emissionen pro Kopf in der dortigen Industrie verzwölffacht. Seitdem haben sie sich dann aber mehr als halbiert und liegen heute wieder niedriger als 1850. Dazu beigetragen haben u.a. der Wechsel von Kohle zu Kohlenwasserstoffen, Energieeffizienzmaßnahmen und der Ausbau Erneuerbarer Energien, insbesondere der Windkraft.
Dass die Luft in den Großstädten reicher Industrieländer regemäßig besser ist als in den Megacitys vergleichsweise ärmerer Schwellenländer unterstreicht zusätzlich, dass es zwischen Wachstum und Klimaschutz keinen zwingenden Widerspruch gibt. Allerdings kommt die Entkoppelung des Wirtschaftswachstums von der (Über-)Inanspruchnahme unserer natürlichen Grundlagen auch nicht von allein. Umsichtiger Umweltpolitik bedarf es dafür schon.
Dr. Andreas Gontermann