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02.05.2024
Fiskalische Unterstützungsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie, der energiewirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs oder der Herausforderungen des Klimawandels haben zu wieder merklich gestiegenen Haushaltsdefiziten geführt. Hinzu kommen höhere Zinsen, die im Kampf gegen die Inflation notwendig geworden sind. Das hat die Staatsverschuldung vielerorts stark ausgeweitet.
In den USA belief sich das Budgetdefizit im vergangenen Jahr 2023 auf mehr als sechs Prozent vom BIP. In Italien, Japan und Frankreich waren es jeweils fünf, in Großbritannien und Spanien vier Prozent. Die minus zwei Prozent in Deutschland kamen da noch vergleichsweise moderat daher. Im Verhältnis zu ihrer Wirtschaftsleistung liegen die Staatsschulden in den reichen Industrieländern heute so hoch wie seit den Napoleonischen Kriegen nicht mehr.
Nun gilt auch für die Öffentliche Hand letztlich dasselbe, was auf private Haushalte und Unternehmen zutrifft: Zwar lassen sich Zahllasten über Schulden in die Zukunft verschieben, aber nicht dauerhaft aufheben. Wie also lässt sich die Tragfähigkeit staatlicher Schulden wieder herstellen, wenn sie zu erodieren droht?
Sieht man mal von Staatsbankrotten, Hyperinflation oder anderen extremen Möglichkeiten ab, so gibt es im Großen und Ganzen zwei Wege, um aus zu hoher Staatsverschuldung rauszukommen – den einen könnte man als Austeritätsansatz bezeichnen, den anderen als arithmetischen Ansatz.
Im ersten Fall läuft es schlicht darauf hinaus, den Gürtel enger zu schnallen. Insbesondere muss es dem Staat hier gelingen, wieder Primärüberschüsse im Haushalt zu erwirtschaften, also mehr einzunehmen als auszugeben – wobei Zinszahlungen außen vor bleiben. Mit anderen Worten: Positive Primärsalden ermöglichen Zins- und Tilgungsleistungen.
Untersuchungen des IWF zufolge funktioniert diese Schiene meist besser über die Kürzung von Ausgaben als über die Erhöhung von Steuereinnahmen. Problematisch ist hier allerdings, dass Ausgabenkürzungen in der Politik unbeliebt sind. Man erinnere sich beispielsweise an die Bauernproteste hierzulande oder in Frankreich und Brüssel, die unmittelbar auf geplante Einsparungen im Agrarsektor folgten.
Einfacher tut man sich mit dem arithmetischen Ansatz. Er ist die mildere Methode. Hier ist das Ziel, „einfach“ aus den Schulden herauszuwachsen. Das kann funktionieren, wenn die (nominale) Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts höher ausfällt als der auf die Staatsschuld zu entrichtende (wiederum nominale) Zins. Dann reduziert sich der Quotient aus Staatsverschuldung (im Zähler) und Wirtschaftsleistung (im Nenner) mit der Zeit quasi von alleine. Leider stellt sich diese günstige Konstellation nicht unbedingt von selbst ein. Dann müssten sich Regierung und Notenbank zusammentun, um sie – mit mehr oder weniger stark ausgeübtem Zwang – herbeizuführen. Man spricht dann von finanzieller Repression.
Allerdings gehen mit der Rückführung zu hoher Staatsschulden immer auch Verteilungsfragen einher. Denn wenn am Ende doch die Steuern erhöht werden müssten, um die Besitzer von Staatsanleihen auszuzahlen, hat das womöglich auch politischen Sprengstoff.
Dr. Andreas Gontermann