Heißes Eisen

Energie? Aber sicher.

Was tun, wenn die Energieversorgung so schlecht ist, dass in der Produktion ständig die Spannung schwankt? Man baut ein eigenes Umspannwerk. Das Unternehmen Elschukom aus dem thüringischen Veilsdorf hat genau das gemacht. Und die Geschäftsführerin Ute Poerschke hat auch sonst einige Ideen, wie die Energieversorgung der Zukunft sicherer und nachhaltiger werden kann. 

Ute Poerschke sagt, was sie denkt. „Wenn wir keinen Strom mehr hätten, würden wir unsere Drähte eben wieder wie die Wikinger oder Römer herstellen, die haben das auch gekonnt“, sagt die Geschäftsführerin von Elschukom. Doch dann lacht sie, denn das, was ihr Unternehmen im thüringischen Veilsdorf seit 1990 macht, ist natürlich nicht mehr mit den Ursprüngen der Drahtzieherei zu vergleichen. Die Firma stellt Feindrähte her, die zum Beispiel in der Medizintechnik, Unterhaltungselektronik oder Sicherungsindustrie eingesetzt werden – Spezialprodukte für Präzisionsanwendungen. 

Doch so ganz weit hergeholt ist die Geschichte nicht. Elschukom ist in einer Region beheimatet, in der eine sichere und vor allem stabile Stromversorgung zumindest für einen produzierenden Betrieb nicht gewährleistet ist. „Wenn ich abends nach Hause komme, sind oft die strombetriebenen Uhren stehen geblieben, weil die Spannung beim Wechsel der jeweiligen Einspeiser abgefallen ist.“ Die Zuleitung zum Unternehmen wurde früher so heiß, dass man Eier drauf hätte braten können, sagt Ute Poerschke. Das habe daran gelegen, dass der Kabelquerschnitt für ein wachsendes Unternehmen nicht richtig dimensioniert gewesen sei. Zu oft sei zudem der 230-Volt-Anschluss instabil gewesen, dann habe es „Unterspannungsevents“ gegeben, bei denen die Spannung deutlich unter 220 Volt, teilweise unter 210 Volt abgefallen ist.

Das Unternehmen hat deswegen selbst etwas unternommen. Elschukom setzt seit 2014 auf Mittelspannung, die über eine 15-kV-Leitung angeliefert wird. „Wir haben selbst eine kleine Umspannstation bauen und Kabel legen lassen, in der wir den Strom selbst auf 230 Volt umwandeln können.“ Die Investition hat sich gelohnt, der Strom ist nun sicher.

 

Dass Elschukom die resiliente Stromversorgung selbst in die Hand nehmen musste, liegt laut Ute Poerschke auch daran, dass es europaweit viele Netzeinspeiser gibt, die jeweils zur vollen Stunde wechseln. „Deren Energiemanagementtools fahren auf Kante, die Wechselzeit ist knapp bemessen. Wenn dann die Spannungsfrequenz von 50 auf 49,8 Hertz sinkt, haben wir diese Energieabfälle.“ Das gesamte Netz ist nicht so stabil wie es sein könnte, sagt sie, vor allem seitdem im Jahr 2015 das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld in Nordbayern abgeschaltet wurde. „Das war einigermaßen zuverlässig. Wir merken nun, dass die vielfältigen, auch erneuerbaren Energien für weniger Stabilität sorgen.“ 

Das will Ute Poerschke allerdings nicht so verstanden wissen, dass die Erneuerbaren aus Sonne, Wind oder Wasser nicht sinnvoll seien. Es geht ihr darum, dass die ununterbrochene Versorgung gerade für die Industrie ein wichtiger Baustein ist. Die aktuelle Finanzierung des Ökostroms hingegen sieht die Geschäftsführerin kritisch. Die Energiekosten sind für Elschukom im Verhältnis zum Umsatz nicht so hoch, wegen der geringen Abnahmemenge kann das Unternehmen auch keine Befreiung von der Ökostromumlage beantragen. „Die Leistungskosten für den Strom im Energiepreis liegen dabei gerade mal bei 16 Prozent. 35 Prozent hingegen zahlen wir für die EEG-Umlage.“ Das EEG ist überholt, sagt Ute Poerschke. Sie plädiert dafür, den CO2-Ausstoß der Unternehmen zu bepreisen. „Wir als Unternehmen müssen uns doch darauf fokussieren, wie wir CO2-neutral werden können. Dafür müssen wir unsere Energieverbraucher in der Produktion und darüber hinaus identifizieren, zum Beispiel unsere Fahrzeuge oder unsere Gebäude.“ 

 

Diese Kombination aus sicherer Stromversorgung und Verbrauchsreduzierung würde für sie ein wirklich widerstandsfähiges Unternehmen in diesem Bereich ausmachen. Eine eigene Energieerzeugung hingegen steht bei Elschukom momentan nicht an. Die Firma hat darüber nachgedacht, etwa die Installation von Solar-/Photovoltaik-Zellen in ein gerade laufendes Erweiterungsprojekt einzubauen, erklärt Ute Poerschke. „Wir haben durchgerechnet, ob sich das zum Beispiel für Parkplatzüberdachungen lohnen würde, haben aber wegen der hohen Kosten trotz der staatlichen Förderung Abstand genommen.“ Photovoltaik auf dem Altbau funktioniere nicht, weil der „Stahlstrukturbau aus Ostzeiten das statisch nicht aushalten würde“. Beim nächsten Neubau würde das Unternehmen das noch einmal prüfen. 

Die Zukunft einer sicheren und gleichzeitig nachhaltigeren Energieversorgung liegt in den Händen der jungen Generation, sagt Ute Poerschke, und hat auch gleich eine Idee, wie diese stärker eingreifen könnte. „Ich finde ja die Fridays-For-Future-Demonstrationen im Grunde gut, sehe aber auch, dass diese sich ab einem bestimmten Punkt totlaufen werden.“ Wäre es nicht viel sinnvoller, fragt sie, den Freitag zum MINT-Tag in den Schulen zu machen, die Jugendlichen sich also fokussiert mit Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik beschäftigen zu lassen? „Hier in Thüringen wird das in den Schulen immer weniger unterrichtet statt mehr, das halte ich für falsch“, sagt Ute Poerschke. „Wir sollten die jungen Leute vielmehr an diesen Tagen nachmittags noch in die Unternehmen holen, damit sie lernen können, was schon getan wird – und am Ende auch selbst dazu beitragen können, dass wir ein nachhaltiges Wirtschaften erreichen können.“

 

Text Marc-Stefan Andres | Fotografie Markus Hintzen

 

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 3.2021 am 25. August 2021 erschienen.



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