Blick ins Labor

Cool bleiben

Blockchain, Künstliche Intelligenz, Streamingdienste: In Rechenzentren werden immer größere Datenmengen auf die Reise geschickt – und damit steigt auch der Strombedarf. Doch das Effizienzpotenzial ist groß, wie ein Neubau am Internetknoten Frankfurt zeigt.

„FR8“, so heißt das neue Rechenzentrum von Equinix im Frankfurter Stadtteil Griesheim. Ganz sachlich und unromantisch zählt das Unternehmen seine High-Tech-Einrichtungen durch, in denen täglich Millionen von Datenpaketen ankommen und weitergeleitet werden. Von außen betrachtet wird der Neubau in wenigen Jahren aber gar nicht so langweilig aussehen, wie es sein Name andeutet. Von oben bis unten sind an der Fassade Grünpflanzen gesetzt worden, nicht nur, weil es schöner aussieht, sondern für den Klimaschutz. Die schnell wachsenden Pflanzen nehmen CO2 auf, filtern die Luft im Gebäude, sorgen für eine gewisse Lärmdämmung, helfen bei der Kühlung und bieten Raum für Insekten.

Diese Art zu bauen wird für den Marktführer, der weltweit über 235 Rechenzentren für die Server von mehr als 10.000 Kunden betreibt, in Zukunft nichts Besonderes mehr sein. Equinix bepflanzt alle Neubauten in Deutschland mit verschiedenen Methoden, und auch Altbauten sollen, wenn möglich, nachträglich begrünt werden, sagt Jens-Peter Feidner. „Für uns ist das ein Schritt zu mehr Nachhaltigkeit“, erklärt der Deutschland-Geschäftsführer von Equinix, der den weltweit drittgrößten Markt für das Unternehmen verantwortet. Das ist auch dringend nötig: Video­streaming, der Einsatz von Künstlicher Intelligenz oder Blockchain-Technologien lassen laut einer Einschätzung des Bundesumweltministeriums den Energiebedarf der Rechenzentren in Deutschland vom Jahr 2015 bis zum Jahr 2025 um mehr als 60 Prozent steigen. Im Jahr 2020 lag der Stromverbrauch schon bei 16 Mrd. Kilowattstunden. Bei einem durchschnittlichen Energiebedarf von 5000 Kilowattstunden pro Jahr könnten damit 3,2 Mio. Einfamilienhäuser versorgt werden. 

Von dem Wachstum des Datenverkehrs profitiert auch Equinix. Das Unternehmen baut dafür einerseits riesige Hyperscaler-Rechenzentren, die den großen Cloud-Anbietern zur Verfügung stehen, oder Co-Location-Rechenzentren wie „FR8“, in denen bestimmte Flächen und Server dedizierten Kunden zugeordnet werden. Sie haben große Vorteile gegenüber dem alten Modell, bei dem Firmen ihre eigenen Server im Keller betreiben. „Diese waren dort zu 40, 50 Prozent in Nutzung. In unseren Rechenzentren liegt die Auslastung hingegen bei 80 bis 90 Prozent“, sagt Feidner. „Zudem ist die Infrastruktur bei Co-Location wie zum Beispiel die Kühltechnik rund anderthalbmal energie­effizienter als bei den veralteten kleinen Rechenzentren. In Summe ergibt das einen um das Dreifache verbesserten Effizienzfaktor“, sagt Feidner. 

Bezieht man Wettervorhersagen ein, kann der Kühlleistungsbedarf um bis 48 % zu verringert werden.

Um nachhaltig wirtschaften zu können, hat sich Equinix als erstes Unternehmen in der Branche Science-Based Targets gegeben, also wissenschafts­basierte Ziele, auf deren Grundlage es die Emissionen im globalen Geschäft reduzieren will. Das Unternehmen setzt zum Beispiel seit 2014 auf Strom aus erneuerbaren Energien – die ­Quote liegt bei 92 Prozent. „Bis zum Jahr 2030 wollen wir dann auf allen Ebenen so C02-neutral wie möglich sein. Bei den indirekt durch Strom bedingten Emissionen, die beispielsweise in Beton und Stahl stecken, zu 50 Prozent, bei den direkten Emissionen im Scope 1 und 2 zu 100 Prozent“, sagt Feidner, wobei er die Einschränkung macht, dass dafür bis zur Hälfte auch dann noch Ausgleichszertifikate sorgen werden. Zudem hat das Unternehmen gemeinsam mit euro­päischen Cloud-Infrastruktur- und Rechenzentrumsanbietern sowie Fachverbänden den „Climate Neutral Data Centre Operator Pact“ mit mittlerweile über 70 Unterzeichnern ins Leben gerufen, der einige Ziele aufgestellt hat: Bis 2025 sollen alle neuen Rechenzentren, die in den kühlen Klimazonen betrieben werden, eine jährliche Power Usage Effectiveness von 1,3 erreichen – das heißt für eine Kilowattstunde Serverstrom soll die Einrichtung 0,3 kW Betriebsstrom benötigen. Momentan liegt der PUE-Wert in der Branche im Schnitt bei 1,7.

Das neue Rechenzentrum „FR8“ hat schon jetzt ein Design, das einen Wert von 1,2 erreicht. Dafür gibt es nicht die eine große Stellschraube. „Rechenzentren sind heute viel effizienter als noch vor einigen Jahren. Wir nutzen zum Beispiel in großem Maße Kaltgänge, in denen die Serverracks stehen und effizienter gekühlt werden“, sagt Feidner. Deswegen müssen nicht die gesamten Server-Hallen heruntergekühlt werden. Ein weiterer Baustein ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Im Rechenzentrum „FR6“ hat das Unternehmen in einem Pilotprojekt die Software des Darmstädter Start-ups etalytics eingesetzt, die das Kühlsystem optimiert. Sie wertet unter anderem Wetterdaten aus. „Wenn es zum Beispiel kühler und windiger ist, brauchen wir weniger Leistung für die Rückkühler, um die warme Luft abzugeben“, sagt Feidner. Bei der Kühlung lassen sich so bis zu 48 Prozent der Energie des Teilsystems einsparen, auf den gesamten jährlichen Betriebsstrom gerechnet sind es bis zu 7,6 Prozent. 

Scopes 

Unter die sogenannten Scopes 1, 2 und 3 fallen die CO2-Emissionen, die Unternehmen im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit verursachen. Die Einteilung folgt dem Greenhouse Gas Protocol – ein Standard, nach dem Treibhausgasbilanzen erstellt werden. Beim Scope 1 geht es unter anderem um die Emissionen, die in der eigenen Produktion anfallen, beim Scope 2 um die externe Energieversorgung mit Strom und Wärme – und beim Scope 3 werden auch die Emissionen gezählt, die bei Zulieferern oder auch bei Dienstreisen, Transporten und Pendlerwegen der Mitarbeiter entstehen.

Nicht ganz so einfach hingegen lässt sich die Abwärme nutzen, was auf den ersten Blick sehr logisch wäre. „Theoretisch könnten Frankfurts Rechenzentren die ganze Stadt beheizen“, sagt auch Jens-Peter Feidner. Allerdings gebe es in der Praxis drei Probleme. Erstens seien die bestehenden Netze nicht dazu geeignet. „Wir können nur 25 bis 30 Grad warmes Wasser liefern. Die Stadt arbeitet aber mit 100-Grad-Netzen, sodass das Wasser mit Wärmepumpen aufgeheizt werden müsste“, erklärt der Manager. Zweitens käme das Wasser im Kreislauf potentiell zu warm wieder zurück ins Rechenzentrum und müsste gegebenenfalls herunter­gekühlt werden. „Und drittens fehlt es oft an Kommunikation über Abnehmer: Wenn wir wüssten, wo gebaut wird, könnten wir dort viel einfacher direkt gemeinsame Lösungen finden.“ Feidner plädiert deswegen dafür, dass Investoren, Städteplaner, Wärmenetz- und Rechenzentrenbetreiber enger zusammenarbeiten. 

Ein möglicher Weg in die Zukunft ist auch der Einsatz von Brennstoffzellen für die Stromerzeugung. Sie könnten das Stromnetz in den Rechenzentren zumindest entlasten. In einer Equinix-Anlage im Silicon Valley begann das Unternehmen 2015 mit einer Brennstoffzelle im Testbetrieb, seitdem sind dort und in den Großräumen New York und Los Angeles weitere hinzugekommen, mit einer gesamten Kapazität von mehr als 37 MW. „In Deutschland gibt es momentan in den Städten allerdings weder ausreichende Speicheranlagen noch Leitungen für Wasserstoff“, schränkt Jens-Peter Feidner ein. Dennoch diskutiert Equinix die effiziente Technologie auch hier – man kann zum Beispiel die Zellen anfangs noch mit Gas betreiben und dann später auf Wasserstoff wechseln, wenn die Infrastruktur steht.

 

Text Marc-Stefan Andres | Foto & Rendering Equinix

 

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 1.+2.2022 am 17. Mai 2022 erschienen.



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