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Der Aufbau einer funktionierenden öffentlichen Ladeinfrastruktur ist die Conditio sine qua non der Elektromobilität. Ein Blick in drei Metropolen zeigt: Ausgerechnet Seoul, wo Elektroautos im Straßenbild noch selten sind, könnte zum Vorreiter werden. 

Vor allem Privatsache

Dass sich in der Hauptstadt eines Landes, das Elektromobilität lange mit einer „Nationalen Plattform“ förderte, sehr viele Elektrofahrzeuge vergleichsweise wenige Ladepunkte teilen müssen, ist kein Zufall. Die für den Ausbau der Ladeinfrastruktur zuständige Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz argumentiert: Der Pkw habe in Berlin nur einen Anteil von 26 Prozent an den täglich zurückgelegten Wegen. Der Anteil der Flächen, die für den Pkw vorgehalten werden, sei daher ohnehin überproportional hoch. „Vor diesem Hintergrund orientiert sich die Ausgestaltung der Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum an dem Ansatz: So viel wie nötig, so wenig wie möglich!“, heißt es ganz offiziell. Neue Ladepunkte sollen daher vor allem auf privaten Grundstücken errichtet werden, gleichwohl aber möglichst öffentlich zugänglich sein. Dementsprechend geht die landeseigene Berliner Agentur für Elektromobilität eMO davon aus, dass ein Großteil der bis zu 800.000 Ladepunkte, die Berlin im Jahr 2040 benötigt, im privaten Raum entstehen. Wer allerdings sein Elektroauto nicht selbst besitzen will, hat mit acht Carsharing-Anbietern eine Alternative, bei der er sich um das Laden nicht kümmern muss.

Quellen: Bundesnetzagentur, Kraftfahrtbundesamt, eMO Berliner Agentur für Elektromobilität

Lieber spät als nie

Südkorea hatte einem Bericht der internationalen Energieagentur zufolge bereits im Jahr 2021 das weltweit beste Verhältnis zwischen E-Fahrzeugen und Ladepunkten – was aber auch an geringen Zulassungsquoten für Elektroautos lag. Mittlerweile ist die Stimmung umgeschlagen, es gelten sogar feste Mindestquoten für den Elektroanteil an den Neuzulassungen. Daraufhin hat die Stadtregierung von Seoul ein großes Programm für den Ausbau der Ladeinfrastruktur gestartet. Bis Ende 2022 sollen dadurch 35.000 zusätzliche Ladepunkte entstehen, die mit einem Zuschuss von bis zu 50 Prozent gefördert werden. Eine Besonderheit: Die Preise, die die Anbieter von ihren Kunden für den Ladestrom verlangen, müssen von der Stadt genehmigt werden. Im Juli hat die Stadtregierung ein Sonderbudget von umgerechnet 100 Millionen Euro für den Ausbau des Ladenetzes und sonstiger künftiger Mobilitäts­infrastruktur genehmigt. Auch wenn letztere nicht genauer spezifiziert wurde, ist davon auszugehen, dass hiermit vor allem Wasserstofftankstellen gemeint sind. Der größte Autohersteller des Landes, Hyundai-Kia, setzt außer auf batterieelektrische Mobilität auch auf die Brennstoffzelle als Fahrzeugantrieb.

Quellen: International Energy Agency, Korea Herald

Eingeschränkt zuverlässig

Auch wenn die Region um San Francisco als Impulsgeber für emissionsfreie Mobilität gilt: Öffentliche Infrastruktur hat in den USA einen schweren Stand. Innerhalb der Stadtgrenzen befinden sich nur 600 öffentliche Ladestationen, wobei das Umweltdepartment nicht die Zahl der damit verbundenen Ladepunkte angibt. Statt öffentlicher Ladestationen förderte der Bundesstaat Kalifornien lange Zeit vor allem das Laden am Arbeitsplatz. Oberbürgermeisterin London Breed hat allerdings am Jahresanfang angekündigt, die Zahl der Ladesta­tionen bis zum Jahr 2025 zu verdoppeln. Finanziert werden soll der Ausbau unter anderem mit Bundesmitteln. Ein im Frühjahr 2022 veröffentlichter Feldtest der Berkeley-Universität zeigt, dass es mit dem Bau allein nicht getan ist: Mehr als jede fünfte Schnellladesäule im Stadtgebiet von San Francisco funktionierte nicht. Die Liste der Ursachen reicht von Softwaredefekten bis hin zu demolierten Steckern. Die verbreiteten Tesla-Stationen waren nicht Teil der Studie, weil sie von Fahrerinnen und Fahrern anderer Pkw-Marken nicht genutzt werden können. Die Forscher verweisen darauf, dass in einer Umfrage nur vier Prozent der Tesla-Fahrerinnen und -Fahrer von Problemen mit den Ladestationen berichtet hätten.

Quellen: City and County of San Franciso, San Francisco Department of the Environment, University of California 

 

Text: Johannes Winterhage | Grafik: shutterstock.com/brichuas

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 4.2022 am 8. November 2022 erschienen.



Erschienen in der Ausgabe 4.2022

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