Grenzüberschreitung

Niederlande

Im Mittelpunkt der Weltpolitik: ASML aus den Niederlanden macht die Chips kleinster Strukturgröße von Apple oder Nvidia erst möglich. Für die USA ist das niederländische Unternehmen darum der perfekte Hebel, um Chinas weiteren Aufstieg durch einen Lieferstopp zu bremsen.

 

Das wichtigste Unternehmen Europas ist kein Autobauer, kein Chemieproduzent und auch keine Bank. Außerdem war es bis vor Kurzem noch weitgehend unbekannt – nur Experten wussten, was ASML herstellt. Inzwischen hat sich das geändert: Das Unternehmen aus dem niederländischen Veldhoven ist in den Blick der internationalen Politik geraten, seit die USA versuchen, Chinas wirtschaftlichen Aufstieg durch Sanktionen zu bremsen. ASML ist dafür der perfekte Hebel, denn ohne die Produkte aus den Niederlanden kann niemand Halbleiter der neuesten technologischen Generation herstellen.

Nur ASML produziert die fortschrittlichsten Lithographie-Maschinen der Welt, mit denen man winzige Strukturen im einstelligen Nanometer-Bereich herstellen kann. Stückpreis: bis zu 200 Millionen Dollar. „Dieses Unternehmen ist eine der außergewöhnlichsten Organisationen der Welt“, sagt Chris Miller, Autor von „Chip War“. „Jede der von ASML produzierten Maschinen gehört zu den kompliziertesten Geräten, die je hergestellt wurden.“

100 Prozent
aller Maschinen für die EUV-Lithographie kommen von ASML. Ohne sie ist man vom Fortschritt bei Chips ausgeschlossen.

Das niederländische Unternehmen mit 32.000 Mitarbeitern beherrscht als weltweit einziger Anbieter das „Extreme Ultraviolet“-Verfahren (EUV), das auf ultraviolettem Licht mit einer Wellenlänge von 13,5 Nanometern basiert. Mit seiner Hilfe lassen sich die vielen Milliarden Transistoren für Apples M1-Chips oder Nvidias Grafikprozessoren auf Silizium-Wafern erzeugen. Wer keinen Zugriff auf EUV-Maschinen von ASML hat, muss mit der Vorgängertechnik DUV („Deep Ultraviolet“) vorliebnehmen und bleibt vom weiteren Fortschritt bei der Herstellung von Chips kleinster Strukturgrößen ausgeschlossen.

Genau darum hat die niederländische Regierung nach Druck aus den USA ASML die Lieferung von EUV-Maschinen nach China untersagt. DUV-Equipment liefert das Unternehmen nach wie vor dorthin – gegen den Willen der US-Regierung, die auch diese Exporte beenden will. „Vielleicht gelingt es China in einem Jahrzehnt, einen eigenen EUV-Scanner zu bauen“, so Miller. „Dieses Programm würde zig Milliarden Dollar kosten, aber wenn es beendet ist, wird es nicht mehr auf dem neuesten Stand sein.“

Ultraviolettes Licht erzeugt die winzigen Strukturen für die neuesten Chip-Generationen.

ASML entwickelt seit 1984 Lithographie-Maschinen und konnte schnell zu seinen wichtigsten Wettbewerbern Canon und Nikon aufschließen. In den 1990er-Jahren begann das Unternehmen, seine Aktivitäten weltweit auszuweiten und machte seine wichtigsten Kunden Intel, TSMC und Samsung 2012 zu Anteilseignern. Mit Einführung der EUV-Technik wurde ASML schließlich die Nummer eins der Branche – und wird es auch bleiben, weil alle Wettbewerber aus dem sündhaft teuren Rennen um EUV-Maschinen und deren Nachfolger ausgestiegen sind.

Ein wesentlicher Teil des Erfolgsrezepts von ASML: Das Unternehmen entwickelt nicht alle Komponenten selbst, sondern kauft bei fast 800 Zulieferern die besten Komponenten und integriert sie zu einem Gesamtsystem. Einer der wichtigsten ist der deutsche Optikspezialist Carl Zeiss, der für die Spiegel in den EUV-Maschinen die glattesten Oberflächen der Welt herstellt.

Der ZVEI plant derzeit den Aufbau einer neuen Plattform, die den Austausch innerhalb der Halbleiter-Zulieferindustrie bündeln soll.

 

Text Christian Buck | Fotos ASML

 

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 1.2023 am 11. April 2023 erschienen.



Erschienen in der Ausgabe 1.2023

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