Editorial

Europa technologisch souverän machen

Dr. Gunther Kegel

Elektroautos benötigen Halbleiter, digitalisierte Netze ebenso und Industrie 4.0 ist ohne Halbleiter undenkbar. Halbleiter sind eine der Schlüsseltechnologien unserer Zeit. Aber: Sie sind knapp! Was das bedeutet haben wir zuletzt alle erleben können. Autos, die nur verspätet ausgeliefert werden konnten, lange Lieferzeiten in der Automatisierungstechnik, Lücken im Hausgeräte-Sortiment und hohe Wartezeiten bei Routern, Spielekonsolen und Computern. Spätestens seit dem vergangenen Jahr ist nahezu jedem klar: Ohne Halbleiter geht fast nichts mehr. Was tun? 

Die Halbleiterbranche läuft auf Volllast, und die Unternehmen investieren in neue Produktionskapazitäten. Und auch die Politik reagiert. Weltweit. Die USA planen mit dem Chips for America Act gezielte Investitionen und Subventionen in Höhe von 52 Mrd. Dollar für Hochleistungschips. Südkorea will bis 2030 gar 432 Milliarden Dollar in die Halbleiterfertigung investieren. Und China hat in den zurückliegenden Jahren bereits tief ins Staatssäckel gegriffen und ließ 170 Milliarden Dollar in die heimische Halbleiterindustrie fließen. Vor allem auch um Abhängigkeiten von den USA zu verringern. Denn Halbleiter sind nicht nur ein begehrtes wirtschaftliches Gut, sondern auch zu einem politischen Druckmittel geworden. 

Deshalb rückt auch in Europa die Halbleiterbranche richtigerweise in den Fokus der Politik. In der kommenden Woche stellt die EU den European Chips Act vor und ein zweites IPCEI für Mikroelektronik (Important Project of Common European Interest) soll schnell folgen. Europa hat endlich erkannt, dass es bei Halbleitern nicht weiter abgehängt werden darf und sogleich ambitionierte Ziele formuliert. Bis 2030 soll der europäische Anteil am weltweiten Halbleitermarkt auf 20 Prozent steigen. Das ist angesichts eines schnell wachsenden Halbleitermarktes sportlich, aber auch notwendig. Schließlich kommt Deutschland aktuell gerade noch auf drei Prozent Weltmarktanteil, Europa nur auf acht Prozent. 

Klotzen statt kleckern ist jetzt gefordert. Die 10 Mrd. Euro, die bereits von der vorhergehenden Bundesregierung für die Mikroelektronik in Aussicht gestellt wurden, müssen mindestens zur Auszahlung kommen. Deutschland und Europa brauchen beherzte Investitionen. Dabei ist eine Fokussierung auf vielversprechende und für die Aufholjagd Europas geeignete Projekte besser als die „Gießkanne“. Das Ziel muss insgesamt sein, ein innovationsstarkes Halbleiter-Ökosystem rund um eine hochmoderne Fertigung zu schaffen. Gefördert durch Auf- und Ausbauunterstützungen von Produktionskapazitäten und Steueranreize sowie durch die Beschleunigung von Baugenehmigungen und Nachwuchsförderung.

Tatsächlich steht viel auf dem Spiel. Europa insgesamt muss sich wappnen und in der Lage sein, technologisch souverän zu agieren, ohne protektionistisch zu sein. Bei Halbleitern wie bei anderen Schlüsseltechnologien. Denn nur aus einer starken Position heraus kann Europa seine Wirtschaftsinteressen im sich verschärfenden geopolitischen Wettbewerb kraftvoll vertreten. Insofern kommt der European Chips Act zur rechten Zeit. Ein guter Anfang.

Hinweis: Heute, am 2. Februar, stellt die EU-Kommission ihre Europäische Normungsstrategie vor. Wie der ZVEI darüber denkt, lesen Sie ebenfalls in diesem Newsletter.

 

Ihr

Dr. Gunther Kegel

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