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27.07.2020

Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes nimmt Hersteller stärker in die Pflicht

Das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) wird aktuell novelliert. Der Entwurf vom August 2019 hält dabei einige Überraschungen für die Industrie bereit. Neben der zwingenden Umsetzung europarechtlicher Vorgaben aus der Abfallrahmenrichtlinie sieht der deutsche Gesetzgeber sehr viel weitreichendere Änderungen vor. Mit einer Verabschiedung wird noch im Jahr 2020 gerechnet.

Abfälle oder Altgeräte sind kein wertloser Müll, sondern die Rohstoffe für neue Produkte – so kann man grob die Zielsetzung der Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) beschreiben. Das Ziel ist nicht neu und war schon ein Leitgedanke des bisherigen KrWG, es soll aber jetzt weiter gestärkt werden. Zukünftig soll die Abfallvermeidung und die Wiederverwertung beim Lebenszyklus eines Produktes im Vordergrund stehen. Das heißt für die Hersteller, sie müssen das Ende des Produktlebenszyklus viel stärker in ihre Produktentwicklung integrieren. Stand bisher hier der Nutzen im Vordergrund, kommt zukünftig noch die Recyclingfähigkeit und Abfallvermeidung hinzu. Der Begriff der Produktverantwortung ist dabei ein zentrales Element. Die Novelle sieht für beide Punkte zusätzliche Pflichten für die Unternehmen vor. 

Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes: Vieles schon gelebte Praxis

Um es vorweg zu nehmen: Vieles an der Novelle ist heute schon gelebte Praxis. Der Leitgedanke, dass Güter und Produkte soweit wie möglich „im Kreis“ gefahren werden, ist ein zentrales Element der Kreislaufwirtschaft der vergangenen Jahre. Das Ziel war immer die Reduzierung des Abfallaufkommens beziehungsweise des Einsatzes von Rohstoffen in der Produktion. Geregelt wurde das Ganze auf nationaler Ebene durch das KrWG als zentrales Gesetzeswerk, flankiert durch weitere produkt- oder anwendungsspezifische Regelungen wie zum Beispiel das Batteriegesetz oder das Elektroaltgerätegesetz.

Gerade die Elektroindustrie hat in besonderem Maße mit diesen Regelungen und Gesetzen zu tun. Ein Beispiel: Am Anfang des Lebenszyklus eines Elektrohaushaltsgerätes werden durch Ökodesignanforderungen beispielsweise der Energieverbrauch oder die Reparaturfähigkeit geregelt. Durch die Chemikaliengesetzgebung und Regelungen zum Rohstoffeinsatz sollen der Einsatz von gefährlichen Substanzen oder auch von Konfliktrohstoffen in Elektrogeräten eingeschränkt werden. Ist das Produkt hergestellt, greift das Verpackungsgesetz zur Reduzierung des Verpackungsmülls. Richtung Ende des Lebenszyklus müssen Hersteller, Vertreiber und Konsumenten die Pflichten zur Rücknahme aus dem Batteriegesetz oder auch dem Elektroaltgerätegesetz umsetzen. Durch getrennte Sammlungen und festgelegte Sammelquoten soll so die Restabfallmengen reduziert und das Recycling ausgebaut werden. Bei einer theoretischen Sammelquote und Verwertungsquote von 100 Prozent wäre der Produktkreislauf im Idealfall geschlossen.

Davon sind wir in Deutschland natürlich noch entfernt, dennoch ist in den vergangenen Jahren viel geschehen: Der Stromverbrauch von Haushaltsgeräten wurde gesenkt, der Einsatz gefährlicher Substanzen eingeschränkt. Dennoch konnte das eigentliche Ziel nicht erreicht werden. Die Bilder von Plastikmüll in den Meeren, von Kindern die illegal exportierte Elektroaltgeräte in Entwicklungsländer recyceln und der immer höhere Bedarf an Rohstoffen aus unsicheren Weltregionen befeuern zusätzlich die Diskussion, dass es so nicht weitergehen kann. Und der Druck aus der Klimapolitik, Produktionskreisläufe und Produkte CO2-freundlicher zu gestalten, wächst. Vor diesem Hintergrund sind die aktuellen politischen Entwicklungen auf nationaler aber vor allem auch auf europäischer Ebene zu sehen: Mit dem angekündigten Circular Economy Action Plan möchte die EU die Kreislaufwirtschaft auf ein neues Level heben. Bei vielen Aktionspunkten handelt es sich im Moment noch um Ankündigungen, aber die Richtung ist klar: Der Produktionskreislauf soll, wo immer möglich, geschlossen werden.

Die Novelle des deutschen KrWG ist hier schon konkreter und aktueller. Sie beschreibt das Recht der deutschen Abfallwirtschaft. Dieses Abfallrecht besteht aus einer fünf-stufigen Abfallhierarchie: 1. Vermeidung, 2. Vorbereitung zur Wiederverwendung, 3. Recycling (stoffliche Verwertung), 4. sonstige Verwertung (insbesondere die energetische Verwertung) und 5. Beseitigung. Vorrang soll grundsätzlich die stoffliche Verwertung haben. Dazu zählen alle Maßnahmen zur Nutzung der im Abfall enthaltenen Wertstoffe bzw. Energiepotenziale. Ziel des Bundesumweltministeriums (BMU) war und ist es, die Abfallwirtschaft zu einer Quelle für die Beschaffung von Rohstoffen und für die Produktion von Gütern fortzuentwickeln.

Mit der Novelle des KrWG wird jetzt die ebenfalls überarbeitete EU-Abfallrahmenrichtlinie aus 2018 in nationales Recht überführt. Direkt oder indirekt betroffen von der Neuregelung sind z. B. all die Unternehmen, die Abfall erzeugen, besitzen, sammeln, entsorgen, befördern etc. – aber auch solche, die zum Beispiel im Rahmen ihrer Produktverantwortung vom KrWG betroffen sind, wie z. B. Vertreiber, Lieferanten, Hersteller und Erst-Inverkehrbringer.

ZVEI sieht Neuregelungen zur Produktverantwortung kritisch

Aus Sicht der Elektroindustrie besonders kritisch ist hier vor allem die Neuregelung der Produktverantwortung in den Paragrafen 23 bis 25, die mit einer erheblichen Ausweitung der Verantwortung und Obhutspflicht für die Hersteller einher geht. Das BMU begründet dies damit, dass es „das Ziel der Produktverantwortung ist, dem Entstehen von Abfällen bei der Produktion vorzubeugen, anstatt lediglich die entstehenden Abfallströme umweltverträglich zu steuern“. Vor allem die Neuregelungen in Paragraf 23 sind hier von Bedeutung und sollen deshalb im Folgenden in Auszügen aufgeführt werden (Änderungen im Vergleich zum aktuellen KrWG sind fett dargestellt):

Die Produktverantwortung umfasst insbesondere:

  1. die Entwicklung, die Herstellung und das Inverkehrbringen von Erzeugnissen, die ressourceneffizient, mehrfach verwendbar, technisch langlebig, leicht reparierbar und nach Gebrauch zur Verwertung sowie zur umweltverträglichen Beseitigung geeignet sind,
  2. den vorrangigen Einsatz von verwertbaren Abfällen oder sekundären Rohstoffen, insbesondere Rezyklaten, bei der Herstellung von Erzeugnissen,
  3. den sparsamen Einsatz von kritischen Rohstoffen und deren Kennzeichnung,
  4. die Stärkung der Wiederverwendung, insbesondere die Unterstützung von Systemen zur Wiederverwendung und Reparatur,
  5. die Senkung des Gehalts an gefährlichen Stoffen sowie deren Kennzeichnung,
  6. die Rücknahme der Erzeugnisse und der nach Gebrauch der Erzeugnisse entstandenen Abfälle sowie deren Verwertung oder Beseitigung,
  7. die Übernahme der finanziellen oder der finanziellen und organisatorischen Verantwortung für die Bewirtschaftung der nach Gebrauch der Erzeugnisse entstandenen Abfälle,
  8. die Information und Beratung der Öffentlichkeit über Möglichkeiten der Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen,
  9. die Beteiligung an Kosten für die Reinigung der Umwelt und die anschließende Verwertung und Beseitigung der entstandenen Abfälle die durch den Gebrauch von Erzeugnissen entstehen sowie
  10. eine Obhutspflicht hinsichtlich der vertriebenen Erzeugnisse, insbesondere die Pflicht, bei einem Vertrieb der Erzeugnisse, auch im Zusammenhang mit deren Rücknahme oder Rückgabe, dafür zu sorgen, dass die Gebrauchstauglichkeit der Erzeugnisse erhalten bleibt und diese nicht zu Abfall werden.
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Neue Obhutspflicht nimmt Einfluss auf in Produktpolitik

Die unter Punkt zehn erwähnte Obhutspflicht ist deshalb besorgniserregend, weil sie dem Inverkehrbringer Regeln auferlegt, die außerhalb seines Verantwortungsbereiches liegen. Die Vorgaben aus Paragraph 23 sind zwar noch keine rechtlich durchsetzbaren Pflichten, sie sind jedoch wegweisend für die produktspezifischen Einzelgesetze, die das KrWG flankieren und ebenfalls in der Zukunft zur Novellierung anstehen bzw. anderweitige Regelungen, die in der Folge per Verordnungsermächtigungen erlassen werden können. Doch es ist jetzt schon klar, dass für die Unternehmen der Elektroindustrie mit diesen Grundpflichten aus dem KrWG Eingriffe in die Produktpolitik sowie Regelungen zur Rücknahme oder finanziellen Leistungen für das Ende des Produktlebenszyklus zukommen werden.

Darüber hinaus kommt auf die Industrie eine weitreichendere Informationspflicht als bisher über den Einsatz von gefährlichen Chemikalien zu. Zukünftig gilt nun die Verpflichtung, das Vorhandensein von gefährlichen Stoffen in eine neue Datenbank, die sogenannte SCIP-Datenbank einzutragen. Damit soll der Abfallverwerter informiert werden, welche gefährlichen Stoffe im Abfallstrom enthalten sind. Die Datenbank wird gerade von der europäische Chemikalienagentur aufgebaut. Die Pflicht zum Dateneintragen startet im Januar 2021. Im KrWG soll diese Pflicht in Paragraf 62a umgesetzt werden. Angesichts vieler Unklarheiten und Kritikpunkte an der Datenbank setzen sich Industrieverbände nach wie vor vehement für Änderungen ein – Ausgang offen.

Generell ist vieles im vorliegenden Kabinettsentwurf aus Sicht der Elektroindustrie unausgegoren und nicht verhältnismäßig. Über den Produktlebenszyklus sind es mehrere Akteure, die „Verantwortung“ für das Produkt haben. Es ist gerade dieses Zusammenspiel zwischen Herstellern, Vertreibern, Konsumenten, kommunalen Sammelstellen und Verwertern, dass der Kreislaufwirtschaft zum Erfolg verhilft. Wenn jeder seinen Aufgaben nachkommt, kann die Abfallmenge nachhaltig sinken und die Wiederverwertung gesteigert werden. Mit der geplanten Obhutspflicht soll diese Verantwortung jedoch viel stärker als bisher auf den Hersteller oder Vertreiber übertragen werden.

Nationale Einzelregelungen nicht zielführend, Regelungen auf EU-Ebene nötig

Aus Sicht der Elektroindustrie sollte deshalb jedem Akteur Pflichten im KrWG zugewiesen werden, auf die er Einfluss nehmen kann. Bedenklich ist auch, wenn die Produktverantwortung aus dem Abfallgesetz in die Produktentwicklung eingreift. Nationale Alleingänge wie Einsatzquoten für Recyclate oder den Einsatz von kritischen Rohstoffen schaden hier dem europäischen Warenverkehr. Produkt- oder stoffbezogene Anforderungen sollten immer auf EU-Ebene, zum Beispiel über Ökodesignrichtlinien oder das Chemikalienrecht, geregelt werden.

Mit den politischen Vorhaben aus dem Circular Economy Action Plan der EU-Kommission stehen schon die nächsten politischen Vorhaben in den Startlöchern. Die Verabschiedung des KrWG, die noch 2020 erwartet wird, ist somit nur der erste Schritt hin zu mehr Kreislaufwirtschaft. 

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