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10.05.2022

Öl

„Oil matters“ – kürzer kann man den Einfluss des Ölpreises auf die globale Konjunktur kaum auf den Punkt bringen. Seit Russland kriegerisch in die Ukraine eingefallen ist, mussten zwischenzeitlich fast 130 US-Dollar für ein Barrel (159 Liter) der Sorte Brent bezahlt werden. Danach sank der Preis wieder unter 100 Dollar, zuletzt stand er bei etwa 111 Dollar. Selten war der Markt in der letzten Dekade volatiler.

Die weitere Entwicklung hängt vom Zusammenspiel geopolitischer und ökonomischer Faktoren ab. Über den Ukraine-Krieg hinaus, dürften hier vor allem drei Einflussgrößen entscheidend sein. Erstens ist da die OPEC. Wie werden sich deren Mitglieder verhalten, insbesondere vor dem Hintergrund sanktionierter oder boykottierter Ölexporte aus Russland?

Im vergangenen Jahr hat die Welt circa 98 Millionen Barrel Rohöl am Tag verbraucht. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass als Folge der westlichen Maßnahmen gegen Russland unterm Strich etwa drei Millionen Barrel pro Tag fehlen könnten. Das lenkt alle Aufmerksamkeit auf Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, die ihr jeweiliges Angebot vergleichsweise am flexibelsten ausweiten könnten. Bislang machen sie da aber keine Anstalten, und die OPEC insgesamt hält weitestgehend noch an ihren Plänen aus der Zeit vor Kriegsausbruch fest.

Zweitens stellt sich die Frage, ob die amerikanische Fracking-Industrie in der Lage wäre und willens ist, ihren Produktionsboom der Jahre 2010 bis 2015 zu wiederholen. Er hatte den Ölpreis damals massiv gedrückt und die Position der OPEC geschwächt. Allerdings sind die Finanzierungsbedingungen derzeit nicht mehr so günstig wie in den besagten Jahren. So steht die US-Notenbank aktuell am Beginn eines Zinserhöhungszyklus. Auch ist es schwieriger geworden, Arbeitskräfte zu rekrutieren. Im Februar, vor Ausbruch des Ukraine-Krieges, zählte die US-Fracking-Branche 128.000 Beschäftigte. Ende 2014 waren es noch mehr als 200.000. Wie bei einer landesweiten Arbeitslosenquote von deutlich unter vier Prozent mehrere zehntausend Stellen neu besetzt werden könnten, bleibt offen. Schließlich sind Umwelt-anforderungen inzwischen gestiegen, weshalb Kapitalgeber zurückhaltender agieren. Weil Gewinne in der Vergangenheit oftmals ausgeblieben sind, hat sich auch unter den Betreibern selbst eine höhere Kapitaldisziplin breitgemacht, sodass Projekte eher gemieden werden.

Drittens ist die Unsicherheit über den Großnachfrager China hoch. Die Omikron-Variante stellt die Null-Covid-Strategie des Landes auf eine harte Probe. Der IWF hat seine Wachstums¬prognose für China kürzlich deutlich gesenkt – auf weniger als viereinhalb Prozent in diesem Jahr, nach mehr als acht Prozent im Vorjahr. Es gibt Schätzungen, wonach die Restriktionen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie die chinesische Öl-Nachfrage um etwa 650.000 Barrel pro Tag reduzieren könnten. Das entspräche grob dem gesamten Angebot Venezuelas.

Alle drei Faktoren reichen jeder für sich genommen schon aus, die Schwankungen auf dem Ölmarkt zu erhöhen. Derzeit treten sie im geballten Mix auf.

Dr. Andreas Gontermann

Konjunktur & Märkte

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