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16.07.2019

Schuldenregeln

Nach der letzten Finanzkrise haben etliche Industrieländer Maßnahmen ergriffen, um öffentliche Defizite und Schulden entschieden zu senken. In der EU etwa wurde der Fiskalpakt vereinbart oder in Deutschland die Schuldenbremse eingeführt. Inzwischen werden allerdings wieder Rufe nach kreditfinanzierter expansiver Fiskalpolitik lauter, also nach mehr staatlichen Ausgaben, insbesondere Investitionen, auch unter Inkaufnahme höherer Defizite und Schuldenstände. Fiskalregeln stünden hier nur im Weg.

Begründet werden die Forderungen dabei regelmäßig mit der Notwendigkeit, marode gewordene Infrastruktur modernisieren bzw. zusätzliche neue aufbauen oder Mittel für den Klima- und Umweltschutz mobilisieren zu müssen. Angesichts von Nullzinsen ließen sich rentierliche Projekte, von denen auch spätere Generationen noch profitierten, schnell finden, und zwar ohne private Investitionen zu verdrängen. Und in der Tat: Wenn reales Wirtschaftswachstum plus Inflationsrate höher liegen als der Zinssatz, geht das Verhältnis bereits bestehender Schulden zum BIP zurück. In den USA scheint dies in historischer Betrachtung sogar die Norm zu sein – was freilich viel damit zu tun hat, dass der Dollar die Weltreservewährung ist. Schließlich wird argumentiert, dass langsames oder gar rückläufiges Wirtschaftswachstum die Tragfähigkeit öffentlicher Schulden genauso untergrabe wie zu hohe Defizite.

Allerdings haben (restriktive) fiskalische Regeln wie die Schuldenbremse einen Sinn. Sie sollen einen permanenten Hang zum Schuldenmachen und der damit einhergehenden (ja ungefragten) Belastung künftiger Generationen verhindern. Zudem stabilisieren die Regeln Erwartungen an den Finanzmärkten, was dann für vergleichsweise günstigere Finanzierungsbedingungen sorgt. In einer Währungsunion wie der Eurozone sollen sie negative Spill-over-Effekte von einem auf andere Länder unterbinden.

Je lockerer es der Staat mit seiner Ausgabendisziplin hält, desto stärker ist eine effiziente Ressourcenallokation in der Volkswirtschaft gefährdet. Auch können sich die Umfeldbedingungen ändern. Es ist nicht in Stein gemeißelt, dass die Zinsen so niedrig bleiben oder dass der Dollar seinen Status als globale Reservewährung dauerhaft halten kann. Als das britische Pfund seine Vorrangstellung in den frühen 1930er Jahren verlor, machte Großbritannien, das damals eine Schuldenquote von mehr als 150 Prozent (vom BIP) hatte, eine Finanzkrise durch.

Ob die Schuldenbremse hierzulande tatsächlich Investitionen verhindert (hat), ist fraglich. Denn sie regelt ja nur, dass die um Konjunktureinflüsse bereinigten Ausgaben des Staates allenfalls geringfügig höher sein dürfen als die bereinigten Einnahmen. Sie schreibt dagegen nicht vor, ob nun investive oder konsumtive Ausgaben getätigt werden. Hierüber entscheidet weiter die Politik. Zudem hindert die Regierungen nichts daran, andere Investitionsbarrieren abzubauen, etwa Bürokratie oder Engpässe bei Planungskapazitäten.

Auf eine kurze Formel gebracht heißt das: Auch und gerade Staatsverschuldung gibt es nicht umsonst. Und da die Geldpolitik im nächsten Abschwung bald an Grenzen kommen könnte, weil sie die Zinsen kaum mehr senken kann, dürfte die Fiskalpolitik dann weitaus stärker gefordert sein. Womöglich täte man also gut daran, das Pulver bis dahin einigermaßen trocken zu halten.

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