Expertenwissen

Vorausschauen spart Kosten

Worum geht es bei der Diskussion um Leerrohre eigentlich? Wie ein unscheinbares Detail künftig den Einsatz von innovativen Technologien beeinflusst, erläutert Klaus Jung, Geschäftsführer des ZVEI-Fachverbands Elektroninstallationssysteme. 

Ohne Kabel geht nichts. Jeder, der einmal einen Rohbau gesehen oder eine Wohnung bis in die Tiefe renoviert hat, kennt dabei die vielen Orte, an denen die Leitungen verborgen sind: Sie laufen vom Sicherungskasten in die Räume und dort entlang der Wände unter Putz. Wenn die Arbeiten abgeschlossen sind, sind sie nie wieder zu sehen – wenn es gut läuft. Denn gerade heute, durch die vielen neuen Möglichkeiten etwa der Kommunikation, der smarten Steuerung oder der Einbeziehung neuer Energiequellen wie einer PV-Anlage, weiß man oft gar nicht, was bei dem Tempo der technischen Entwicklung in den kommenden Jahren zu erwarten ist. Eine zukunftsfähige Elektroanlage ist heute mehr denn je gefordert. Ein besonders wichtiger Punkt ist dabei die Elektromobilität. Wenn die Menschen bald vornehmlich elektrisch fahren wollen, müssen sie die Autos auch überall aufladen können. Einen Grundstein für eine vorausschauende Planung hat das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) im Jahr 2021 gelegt. Demnach müssen Neubauten wie Wohngebäude, Altenheime, Hotels und Schulen mit Schutzrohren für Elektrokabel ausgestattet werden. Ein solches Leerrohr, das von der Stromverteilung durch die Bodenplatte zum Parkplatz verläuft, ist eine schlaue, weil kostensparende Investition in die Zukunft. In der Bauphase kostet es wenige hundert Euro, das Rohr samt Anschlüssen zu verlegen – bei einer nachträglichen Sanierung beträgt die Rechnung leicht das Sechs- bis Achtfache. Es lohnt sich also vorauszudenken, und zwar in allen Bereichen, in denen vielleicht in Zukunft ein einfaches leeres Rohr den Einsatz von innovativen Technologien ermöglicht, um letztlich unnötige und kostspielige Stemm- und Verlegearbeiten zu sparen.

Text Marc-Stefan Andres

 


Meilenstein

1992

Mit dem Sonnenhaus in Freiburg entstand das erste energieautarke Gebäude in Deutschland.

 

Vor 30 Jahren sorgten die Sonnenkollektoren, die in Freiburg auf dem Dach des bundesweit ersten energie-autarken Solarhauses angebracht waren, noch für Aufsehen. Das Innenleben des Projekts des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE tat sein Übriges: Das zweigeschossige Wohnhaus, das auf einem Platz ohne Schatten in einem Industriegebiet gebaut wurde, war weder an das Stromnetz angeschlossen noch hatte es eine Öl- oder Gasheizung. Das „Sonnenhaus“ war stattdessen mit einer ausgeklügelten Lüftung und einer transparenten Wärme-dämmung ausgestattet – diese vermindert gleichzeitig Wärmeverluste und erhöht Wärmegewinne durch die Sonneneinstrahlung. Außerdem wurde ein Brennstoffzellensystem samt Wasserstofftank verbaut, um die Energie aus der Sonne speichern zu können. Der Projektleiter zog damals mit seiner Familie ein, um den Wohnalltag zu dokumentieren – später wurde das Haus als Bürogebäude genutzt. In den Jahren danach war es zudem die Grundlage für viele Innovationen, die die Forschungsgruppe „Solares Bauen“ des Instituts entwickelt hat.

 

Text Marc-Stefan Andres

 


Schaltzeichen

Wattstundenzähler

Intelligente Messsysteme gelten als Schlüsseltechnik für die Energiewende. Doch der Einbau geht nur langsam voran.  

Wenn die Preise auf der Angebotsseite flexibler werden, dann verändert sich das Verhalten auf der Nachfrageseite. In zahlreichen Feldversuchen wurde die Wirksamkeit dieses ökonomischen Basiseffekts auf dem Strommarkt nachgewiesen. Doch um eine Nachfragesteuerung umzusetzen, die perfekt in ein Energiesystem mit fluktuierender Erzeugung passt, sind nicht nur vernetzte Stromzähler, sondern auch ein Smart Meter Gateway für die sichere Kommunikation zwischen Netzbetreiber und Verbraucher notwendig. Aktuell, so schätzen es die Energieexperten des ZVEI, sind erst 300.000 intelligente Messsysteme in deutschen Gebäuden installiert – angesichts von allein 19 Millionen Wohngebäuden in Deutschland ein zaghafter Beginn. Aufgrund eines Rechtsstreits ist die ursprünglich vorgesehene Einbaupflicht aktuell außer Kraft gesetzt – und damit das Ziel, die Geräte bis 2023 bei mindestens zehn Prozent der Einbaupflichtigen zu installieren. Anke Hüneburg, Leiterin des Bereichs Energie im ZVEI, verweist darauf, dass die Kopplung des Gebäudesektors an den Energiesektor auf intelligente Schnittstellen wie den digitalen Netzanschlusspunkt angewiesen ist und mahnt zur Eile: „Wir müssen auf dem Weg zu mehr Digitalisierung aufhören, zu zögern.“

 

Text Johannes Winterhagen

 


Graphiken von oben nach unten: ZVEI | Frauenhofer -Institut für Solare Energiesysteme ISE | ZVEI/ Barbara Geising

 

Dieser Text ist in der Ausgabe 3.2022 der ampere erschienen.



Erschienen in der Ausgabe 3.2022

Der Beschleuniger

Mit dem von ihm gegründeten Start-up Luminovo will der Elektrotechniker Sebastian Schaal die Zeit zwischen Idee und Serienproduktion verkürzen.

Der große Umbau

Die Energiewende im Gebäudesektor ist eine Mammutaufgabe. Nicht nur die hohe Zahl von rund 21 Millionen Bestandsgebäuden, sondern vor allem deren Vielfalt erschweren ein einheitliches Vorgehen. Eine Bestandsaufnahme.

„Gebäude zu Energieproduzenten machen“

Bauen und Wohnen werden teurer. Ein Grund, notwendige Klimaschutzmaßnahmen zurückzustellen, ist das weder für Sandra Weeser, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen, noch für den Unternehmer Daniel Hager.

Strombeschleunigung

In der niederländischen Gemeinde Heerhugoward wurde zum ersten Mal das „Energiesprong“-Konzept einer seriellen und standardisierten Altbausanierung umgesetzt. Mittlerweile findet es auch in Deutschland immer mehr Freunde und könnte die Energiewende im Gebäude deutlich beschleunigen.

Zukunft jetzt

Expertenwissen, Meilensteine und Schaltzeichen: Drei informative Kurztexte über und aus der Elektroindustrie

ampere

Das Magazin der Elektro- und Digitalindustrie

Mit dem Magazin der Elektro- und Digitalindustrie ampere, das zwei Mal im Jahr erscheint, schaut der Verband über den Tellerrand der Branche hinaus.

Jede Ausgabe von ampere setzt sich kontrovers und informativ mit Themenschwerpunkten der Elektroindustrie auseinander, die aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Der Verband will mit dem Magazin den Dialog mit Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft stärken.