Doch Subventionen allein erklären das Elektrowunder nicht. „Norwegens großer Vorteil ist, dass der Strommix dort seit jeher auf Erneuerbaren basiert und flexibel steuerbar ist“, berichtet Marcus Franken, Leiter der deutschen Niederlassung des norwegischen Beratungsunternehmens Thema, das auf Energiethemen spezialisiert ist. In Norwegen stammen 88 Prozent des Stroms aus Wasserkraftwerken. Die Weichen dafür haben die Skandinavier schon vor mehr als 100 Jahren gestellt, als sie an den Wasserfällen der Fjorde erstmals Generatoren installierten. Heute gehört grüne Energie zu den Exportschlagern des Landes. Seit vergangenem Jahr ist Norwegen unser zweitwichtigster Stromlieferant, die Deutsche Bahn beispielsweise bezieht Strom vom Wasserkraftwerk Mågeli (über sogenannte Zertifikate).
Als Ergänzung zur Wasserkraft will Norwegen die Windkraft ausbauen. Aktuell trägt sie 10 Prozent zur Stromversorgung bei. Der Ausbau ist jedoch eine Herausforderung: Die Akzeptanz für Windkraftanlagen an Land ist in Norwegen niedrig, und Offshore-Projekte gestalten sich schwierig, weil der Atlantik vor der Küste sehr tief ist. Deshalb setzt Norwegen auf eine relativ neue Technologie: schwimmende Windkraftanlagen. 140 Kilometer vor der Küste hat der Energiekonzern Equinor im vergangenen August den größten schwimmenden Windpark der Welt eröffnet – Hywind Tampen. Elf Turbinen liefern 88 Megawatt und versorgen zunächst die Bohrinseln in der Umgebung. Aus der Sicht der Norweger kein Widerspruch: „Wir werden eine neue Industrie auf den Schultern der Öl- und Gasindustrie aufbauen“, sagt Siri Kindem, Leiterin des Geschäftsbereichs Erneuerbare Energien bei Equinor.
Investitionsbedarf gibt es auch bei der Infrastruktur. „In manchen Gebieten muss das Stromnetz in den nächsten fünf Jahren stärker ausgebaut werden als in den 50 Jahren zuvor“, berichtet Experte Franken. Neue Ansiedlungen machen das nötig: Das Unternehmen Blastr Green Steel plant zum Beispiel nordwestlich von Oslo eine elektrische Produktionsanlage für Stahlpellets, ein Vorprodukt der Stahlherstellung. Das Geschäft mit Netztechnik sei darum ein „interessantes Feld“ für ausländische Anbieter, resümiert Franken. So könnte der Elektrifizierungs-Weltmeister im hohen Norden der Elektrobranche in ganz Europa zusätzlichen Schwung bringen.
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