Kontinent der Chancen
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ampere 1.2024
Bad Praxis
Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen leiden zunehmend unter den regulatorischen Anforderungen der EU. Das Beispiel Elschukom zeigt, wie hoch der bürokratische Aufwand ist und wie sich vieles vereinfachen ließe.
Ute Poerschke ist eine vielbeschäftigte Frau. Als Geschäftsführerin der Elschukom GmbH im thüringischen Veilsdorf ist sie für knapp 100 Mitarbeitende verantwortlich und muss sich im weltweiten Wettbewerb behaupten. Die innovativen Feinstdrähte des Unternehmens werden unter anderem in der Sensorik, der Textilindustrie, der Unterhaltungselektronik oder beim Bau von Musikinstrumenten eingesetzt. Wer hier erfolgreich sein und bleiben will, muss Produkte und Prozesse permanent verbessern und ständig nach neuen Märkten Ausschau halten.
Eigentlich hätte Ute Poerschke damit genug zu tun. Aber geschätzt 15 Prozent ihrer knappen Zeit muss sie inzwischen für bürokratische Anforderungen aller Art opfern. Sie und ihre Belegschaft müssen zum Beispiel die Stoffdatenbank SCIP (Substances of Concern In Products) befüllen, die die Europäische Chemikalienagentur ECHA eingerichtet hat. „Wir verkaufen rund 5.000 unterschiedliche Drähte und 3.000 weitere Produkte“, erklärt Poerschke. „Die EU fordert von uns, dafür grammgenau alle Bestandteile anzugeben.“ Ziel ist es, das Recycling zu vereinfachen, um wertvolle Rohstoffe einfacher wiederverwerten zu können.
Geschäftsführerin Elschukom
Das findet auch Ute Poerschke gut. Aber: „Die Datenbank ist schwer zu handhaben. Pro Produkt dauert ein Eintrag 30 Minuten bis zu einer Stunde – obwohl unsere Produkte relativ einfach sind. Allein 2023 hat uns SCIP rund zwei Monate Arbeitszeit gekostet.“ Große Konzerne leisten sich dafür eigene Abteilungen. Ein kleines Unternehmen wie Elschukom muss solche Tätigkeiten aber neben dem Tagesgeschäft erledigen. Und die EU-Stoffdatenbank ist nicht die einzige ihrer Art, die Elschukom befüllen muss: Die Automobilbranche betreibt parallel das Internationale Materialdatensystem IMDS, das einem ähnlichen Zweck dient wie SCIP. Hinzu kommen spezielle Lösungen von Großkunden des Thüringer Unternehmens. „Ich wünsche mir nur eine einzige Datenbank“, resümiert Poerschke. „Sie sollte außerdem so gestaltet sein, dass die Abfallwirtschaft daraus den größten Nutzen ziehen kann.“
Weiterer Aufwand entsteht durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Es ist theoretisch zwar nur für Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten verpflichtend, erhöht aber auch bei Elschukom den bürokratischen Aufwand. „Wir sind Teil der Lieferkette unserer Kunden, die von uns Auskünfte verlangen“, erklärt Poerschke. „Darum müssen wir unsererseits rund 300 Lieferanten abfragen. Das kostet uns pro Lieferant ungefähr einen Tag.“ Darum sei der Aufwand vergleichbar mit dem eines vom LkSG direkt betroffenen Unternehmens.
Aus Poerschkes Sicht ließe sich das Problem ganz einfach lösen: „Man könnte alle Lieferanten weltweit in eine zentrale Datenbank eintragen, die beispielsweise von NGOs befüllt wird, um schwarze Schafe zu identifizieren. Dann müsste nicht jedes Unternehmen aufs Neue die immer gleichen Auskünfte einholen.“ Stattdessen könnte man die zentrale Datenbank automatisiert abfragen – genauso wie es derzeit schon mit den Sanktionslisten geschieht.
„Unsere Margen sind in den vergangenen Jahren ohnehin schon gesunken“, berichtet Poerschke. „Und die zunehmende Bürokratie frisst einen immer größeren Teil unserer Gewinne auf, die wir lieber für Zukunftsinvestitionen nutzen würden.“ Unternehmerin würde sie dennoch immer wieder werden. Denn: „Wer soll denn sonst die Produkte für eine lebenswerte Zukunft schaffen? Die vielen neuen Gesetze machen das aber nicht einfacher – und allmählich wird man müde.“
Mehr dazu lesen Sie dazu auch im ampere-Interview mit Ute Poerschke: "Europa muss als Wirtschaftseinheit auftreten"
Text Christian Buck | Illustration shutterstock.com/Luis Carlos Torres, Fotos ZVEI / Markus Hintzen
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 1.2024 am 15. April erschienen.
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