Welches Problem löst Antrieb 4.0?
Schmidt: Die Digitalisierung und die vernetzte Wertschöpfung ermöglichen unter anderem widerstandsfähige Lieferketten, bessere Rohstoffverfügbarkeit und eine nachhaltige Wirtschaft in einer globalisierten Welt. Allerdings werden diese Potenziale bisher nur teilweise genutzt, bedingt durch die komplexe Vernetzung verschiedener Akteure und Objekte sowie die häufig proprietäre Natur der bisherigen Lösungen. Das führt zu isolierten Datensilos, die eine umfassende Transparenz und die Nutzung von Daten für Analytics-Anwendungen und Mehrwert-Services behindern.
Schuster: Das Verbundprojekt „Reallabor Antrieb 4.0“ zielt darauf ab, in enger Kooperation mit Antriebsherstellern herstellerneutrale Lösungen zu entwickeln, die als Grundlage für datengetriebene Services dienen können. Unser Ziel ist es, eine standardisierte Vernetzung innerhalb der Antriebssysteme zu etablieren, um damit die Datenverfügbarkeit, Transparenz und Interoperabilität zu verbessern – als Grundlage für die Entwicklung neuer Services und serviceorientierter Geschäftsmodelle.
Wie ist die Idee zu dem Projekt entstanden, und was waren die ersten Schritte?
Schuster: Die Idee entstand nach einem Vorprojekt, in dem 2019 das Whitepaper „Antrieb 2030“ entwickelt wurde. Es formulierte zwölf Thesen, die bis 2030 Veränderungen in Geschäftsmodellen, Wertschöpfung und Wertschöpfungssystemen im Kontext des Antriebssystems beschreiben. Das Projekt „Reallabor Antrieb 4.0“ will durch die Entwicklung innovativer gemeinschaftlicher Lösungen einen Schritt näher an diese Ziele herankommen.
Schmidt: Gemäß unserem ergebnisoffenen Ansatz haben wir damit begonnen, potenzielle Anwendungsfälle zu identifizieren, die sowohl ökonomische als auch ökologische Mehrwerte bieten. Im nächsten Schritt erfolgte eine Vorauswahl aus 36 Anwendungsfällen durch unsere Verbundpartner, wobei der Fokus auf wissenschaftlicher Innovation und den Forschungsinteressen sowie -ressourcen unserer Partner lag. In der letzten Phase bewerteten Antriebshersteller, Maschinen- und Anlagenbauer sowie Anlagenbetreiber mithilfe einer Online-Umfrage die zehn aus der Vorauswahl priorisierten Anwendungsfälle. Dabei lagen die Einschätzungen der Antriebshersteller oft erstaunlich nahe bei den Einschätzungen ihrer potenziellen Kunden.
Mittlerweile steht also fest, welche der ursprünglich 36 Anwendungsfälle umgesetzt werden?
Schuster: Die konkreten Anwendungsfälle sind nun definiert: „Digitalisiertes Asset Management“ und „Ganzheitliche energieeffiziente Auslegung von Antriebslösungen“. Das digitalisierte Asset Management ermöglicht die zentrale Bereitstellung aller relevanten Informationen eines Assets über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg in einem standardisierten Format. Das ermöglicht es Anlagenherstellern und -betreibern, den Überblick über die zunehmend komplexe Anlagenstruktur zu behalten. Der zweite Anwendungsfall befasst sich mit der energieeffizienten Auslegung von Antriebssystemen durch Anlagenhersteller. Dies geschieht, indem Antriebskomponenten unterschiedlicher Hersteller kombiniert werden, um ein vom Betreiber vorgegebenes Last- und Bewegungsprofil möglichst energieeffizient zu erfüllen.