Wie würde denn Schneider Electric davon profitieren, wenn die Start-ups gefördert werden? Die jungen Talente würden dann ja dennoch nicht bei Ihnen arbeiten?
Irgendwann kommen sie dann doch zu uns (lacht). Im Ernst, wir beschäftigen uns schon lange mit dem Thema. Hier in Berlin haben wir selbst ein Start-up gegründet, Inno2Grid, mit dem wir an nachhaltigen Mobilitätslösungen und einer zukunftsfähigen Energieversorgung arbeiten. Damit können wir viele Talente zu uns holen, die dann später auch bei Schneider Electric arbeiten können. Außerdem haben wir SE Ventures gegründet, einen Venture Capital Fonds, den wir zwei Mal mit jeweils 500 Millionen Euro ausgestattet haben. Dort sind wir in rund 50 Start-ups investiert.
Sie setzen gerade ein Programm in Höhe von 300 Millionen um, mit dem Sie in Ihre Fabriken in den USA investieren. Sind dort die Rahmenbedingungen besser als in Europa?
Wir haben bei Schneider Electric die Philosophie „Im Markt für den Markt“, deswegen wollen wir mit unseren Fabriken nahe dran sein an den Märkten. Wie wichtig das ist, haben wir auch in der Zeit der Corona-Pandemie gelernt. Nun kommen zwei Faktoren hinzu: Auf der einen Seite boomt der Data-Center-Markt, einer unserer Kernmärkte, in den USA, dafür brauchen wir Kapazitäten. Auf der anderen Seite wächst das Bedürfnis nach „Made in America“, vor allem in den Bereichen, die durch die Regierung getrieben sind, wie die Wasserversorgung oder andere Infrastrukturen. Diese Investitionen bedeuten also keine Abkehr von der EU, sondern eine Hinwendung zum Markt, zumal wir auch in Europa massiv investiert haben.
Schneider Electric bietet viele Nachhaltigkeitslösungen an. In diesen Bereich zu investieren, ist sehr sinnvoll, manchmal aber auch teuer. Lassen sich Nachhaltigkeit und Wohlstand langfristig vereinen?
Davon bin ich absolut überzeugt. Letztlich geht es um eine Investition in die Digitalisierung und diese ist in Sachen Wettbewerbsfähigkeit, Unternehmens-Resilienz und Wertsicherung unabdingbar. Mittelfristig gesehen lohnt es sich immer, in Energieeffizienzmaßnahmen zu investieren. Denn der beste Weg, Klimaziele zu erreichen, ist, Energie gar nicht erst zu verbrauchen. Dabei müssen wir über lange Zeiträume denken, gerade im Gebäudebereich. Rein wirtschaftlich lohnt sich das auch: Einer Studie der Boston Consulting Group zufolge soll bis 2050 durch Umwelttechnologien ein Zehn-Billionen-Euro-Markt entstehen.
Die Investitionen lohnen sich ja auch, weil sie sich recht schnell amortisieren. Wie können Unternehmen stärker motiviert werden, auch an dieser Stelle langfristiger zu denken?
Vieles beginnt damit, dass wir verstehen, dass heute alle wesentlichen Technologien vorhanden sind, um Gebäude und – eingeschränkt auch Industrien – klimaneutral zu machen. Deswegen sollte es bessere steuerliche Rahmenbedingungen geben, die den Unternehmen die Investitionen erleichtern. Oder es könnten auch Anreizsysteme entstehen, den CO2-Ausstoß zu senken. Da sehe ich auch die EU in der Pflicht: Sie könnte weitere Programme auflegen, die solche Technologien in Europa fördern.
Wenn Sie zum Schluss entscheiden könnten, welche Maßnahmen die EU-Kommission als erstes umsetzen soll – was hätte Priorität für Sie?
Rahmenbedingungen, die uns helfen, Projekte im Energiebereich zu skalieren. Denn so etwas wäre später auch ein Exportschlager. Europa kann in diesem Feld wieder Marktführer werden. Wir müssen Europa außerdem viel stärker als eine gemeinsame Wirtschaftsregion begreifen und dafür auch sensibilisieren. Das ist gar nicht so einfach, weil es oft um Fairness und Transparenz untereinander geht, aber auch um die Unterschiedlichkeit der Kulturen und Interessen. Wir müssen in Europa lernen, uns besser zu verknüpfen und einig aufzutreten. Und wir müssen die Probleme im Kern angehen, statt nur „Schmerztabletten“ zur verteilen. Dann ist und bleibt die EU für uns alle eine riesige Chance.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Frei.