In der Nordsee treibt ein kräftiger Wind die Turbinen in den Offshore-Windparks an. Es wird enorm viel Strom erzeugt – und dieser muss über Hochspannungsleitungen dorthin fließen, wo er benötigt wird: In die Ballungsräume im Westen und Süden Deutschlands, wo viele Menschen leben und Fabriken den größten Bedarf haben. Der weite Transport der Energie aus Windkraft ist nur eine von mehreren Aufgaben für Wirtschaft und Politik, die die Energiewende mit sich bringt, sagt Tim Holt. „Bis 2030 sollen etwa 80 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien stammen“, erklärt der Vorstand von Siemens Energy. „Dafür müssen wir leistungsstarke Übertragungsleitungen ausbauen und neue Transformatoren für die verschiedenen Spannungsebenen installieren.“ Das Netz muss sowohl auf Übertragungs- als auch Verteilnetzebene ertüchtigt werden, um die künftigen volatilen Stromflüsse aus den erneuerbaren Energien verarbeiten sowie die vielen unterschiedlichen Verbraucher wie etwa Speicher, Wärmepumpen, Rechenzentren oder Ladesäulen bedienen zu können. „Und nicht zuletzt brauchen wir Lösungen dafür, wie wir eine stabile Netzfrequenz erzeugen können, für die früher kontinuierlich laufende Kohle- oder Atomkraftwerke gesorgt haben“, sagt Tim Holt, der mit seinem Unternehmen unter anderem Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-Systeme (HGÜ) sowie Hochspannungsschaltanlagen und -transformatoren produziert.
Die politischen Ziele sind vorgegeben, die Unternehmen rüsten sich für die Aufgabe. Wie groß diese allein in den Übertragungsnetzen ist, zeigt der Manager an einem Beispiel aus einer Studie der Bergischen Universität Wuppertal, die diese im Auftrag des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und des ZVEI erstellt hat. „Wir müssen rund 35.000 Kilometer Hochspannungsleitungen bauen. Zum Vergleich: Das gesamte deutsche Autobahnnetz ist rund 13.000 Kilometer lang, also etwa ein Drittel davon.“ Auch in die weiteren Bestandteile des Verteilnetzes müssen gewaltige Investitionen getätigt werden. 50 bis 80 Prozent der aktuell verbauten Betriebsmittel müssen erneuert, aufgerüstet oder ersetzt werden, unter anderem eine halbe Million Kilometer Kabel im Niederspannungsbereich sowie rund eine halbe Million Transformatoren, die die Mittel- auf die Niederspannung umspannen.